Das supraleitende Kabel – eine Chance ?

Leserbrief vom 10.4.13

Im April 2013 wurde Zeitungslesern die Meldung „RWE testet Supraleiterkabel“ präsentiert. Darin wurde zunächst erklärt, dass damit große Strommengen fast ohne Verluste transportiert werden könnten. Und es wurde die schöne Vision vermittelt, dass nun in naher Zukunft der Stromanschluss großer Städte über derartige Kabel und nicht mehr über die ungeliebten Freileitungen erfolgen würde – und das fast verlustlos.

Die Tatsachen sind weniger sensationell: Ein supraleitendes Kabel, das in der Tat bei sehr tiefen Betriebstemperaturen fast keinen elektrischen Widerstand hat, erzeugt zwar kaum  Leitungsverluste, aber die sehr aufwendige Kühlung produziert sehr wohl beträchtliche Verluste. Und es handelt sich nicht um Haushaltskühlschränke, sondern um etwa alle 200 Meter zu errichtende vielstufige Super-Kälteaggregate, die das Kühlmittel flüssiger Stickstoff auf minus 200 Grad halten müssen.

Die supraleitenden Stromkabel wurden bereits vor 40 Jahren intensiv vom Bundesforschungsministerium gefördert.  Die Idee der Stromversorgung großer Abnehmer war exakt die gleiche wie heute wieder.  Nur scheiterte alles – nicht an der beeindruckenden Technik der Supraleitung, sondern an der  Einschätzung der Folgen, die ein  Schaden an einem solchen Kabel hätte.  Wenn wieder einmal ein Bagger  ein  Stromkabel, eine Gas- oder Wasserleitung durchtrennt, kennt man die Folgen. Erwischt der Bagger aber ein supraleitendes Kabel, dann verdampft der gesamte Flüssigstickstoff und das Kabel erwärmt sich auf dem gesamten Abschnitt zwischen zwei Kältemaschinen. Die folgende Reparatur ist bei diesem komplizierten Kabelaufbau mit seiner supraleitenden Schicht und der Hochvakuumisolierung wesentlich schwieriger und langwieriger als bei einem normalen Kabel.  Danach aber kommt  unvermeidlich eine lange andauernde Phase der Wiederabkühlung von plus 20 Grad auf minus 200 Grad – und die vielleicht wichtigste Stromleitung zu einem Ballungszentrum wäre für zwei Wochen  tot – ein Alptraum.

Kein Wunder, dass damals niemand dieses Risiko, das sich auch heute nicht geändert hat,  tragen wollte.

Auch ein Zeitablauf von mehreren Jahrzehnten ändert nichts an der Unbrauchbarkeit dieser inzwischen durchaus verbesserten Technik für diesen speziellen Einsatzfall.

Dass die Supraleitung durchaus bei anderen, sehr sinnvollen Anwendungen zu finden ist und weiterhin eine bedeutende Zukunft vor sich hat– heute schon bei  Strombegrenzern im Hochspannungsnetz oder in den starken Magneten in Physiklabors – steht außer Zweifel.