Der lange Marsch in die grosse Pleite

Von Dr. Günter Keil

Die energiewirtschaftliche Lage, in die das Land durch Parteien und ihre Politiker gebracht worden ist, entstand im Laufe vieler Legislaturperioden und alle bislang in den verschiedenen Regierungen vertretenen Parteien haben daran mitgewirkt. Auch die jetzt nicht mehr im Parlament vertretene FDP.

Die Partei Die Linke hatte noch keine Gelegenheit, ihre energiepolitischen Vorstellungen in einer Bundesregierung zu verwirklichen, was aber die heute erreichte Situation kaum verändert hätte, denn ihre Politik unterscheidet sich nicht von der Energiepolitik von SPD und Grünen, die seit dem Erringen des CDU-Parteivorsitzes durch Angela Merkel auch von der Union Stück für Stück vollständig übernommen wurde.

Als das Angstmachen professionalisiert wurde…

Es gibt ein Datum für den Beginn des Einsatzes der Angst vor angeblichen Umweltkatastrophen als staatliches politisches Instrument in Deutschland: Es ist der 22.Oktober 1969.
An diesem Tage nahm das Kabinett Brandt I seine Arbeit auf – und Vizekanzler Genscher (FDP), der das Innenministerium übernahm, brachte einen Vertrauten mit und ernannte ihn zum beamteten Staatssekretär: Günter Hartkopf. Dieser für sein „ökologisches Engagement“ bekannte Mann hatte damit eine Schlüsselstellung gefunden, in der er während seiner knapp 14 Dienstjahre im BMI nahezu unbemerkt, dabei höchst effektiv und fast immer am Parlament vorbei die Gründung und Unterstützung von Hunderten von Bürgerinitiativen und Umweltgruppen betrieb. Er lenkte ebenfalls Steuergelder in Institute und ihm genehme Wissenschaftsbetriebe.
Sein Ziel war der Aufbau einer unüberwindbaren ministerialen Gegenmacht zur Wirtschaft, die er als ständig bremsendes Hindernis bei der Verschärfung von Umweltstandards und Grenzwerten und im Grunde als seinen Feind ansah.

Dazu benötigte er eben nicht nur eine dafür ausgerüstete und starke Verwaltung, sondern auch eine mächtige Unterstützerlobby im Außenraum, die er sich mit den von ihm finanzierten Umweltverbänden selbst geschaffen hatte.

Originalton Hartkopf: „Nachdem zu Beginn der eigentlichen bundesdeutschen Umweltpolitik eine solche potente Gegenseite (Anm.: zur Wirtschaft) nicht vorhanden war, musste sie geschaffen werden….Es waren vorwiegend Beamte (Anm.: seine eigenen), die den Grundstein für die Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen legten und sie mit Leben und sachlichen Mitteln ausstatteten….Doch die Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen ist kein umweltpolitischer Kampfverband. Weil ein solcher fehlte, musste er eben gebildet werden. Es waren wiederum Beamte, die den Plan vorwärts trieben, örtliche Bürgerinitiativen zu einem Dachverband zusammenzuschließen, und die Gründungsversammlung und noch einiges zu finanzieren.“

Dass diese Finanzierungen aus Steuermitteln jemals vom Bundestag in seinen Haushaltsberatungen akzeptiert worden wären, ist nicht vorstellbar.

In einem 1986er Vortrag in Bad Kissingen zog er stolz Bilanz und verwies auf das bis dahin geschaffene Potenzial: Zitat: „Eine Mitgliedschaft von rund vier Millionen Bürgern kann jederzeit mobilisiert werden (!) und bildet daher ein beachtliches Potenzial, an dem die Politik nicht vorbeigehen kann.“

Hartkopf konnte sich auch als Initiator der Menschenmanipulation mittels der Medien rühmen und sprach in seinem Vortrag stolz von „Tendenzinformationen, mit denen die Zeitungsmacher gefüttert wurden“. Er verwies auf die Masse der zur Glaubwürdigkeitssteigerung gezielt erzeugten Berichte in Wissenschaftsjournalen, die nach Hartkopf „aus der Feder von Beamten stammen, wenn man die Veröffentlichungen von Professoren und ihren beamteten Mitarbeitern an Unis mit einbezieht.“ Mit dieser Veröffentlichungs-Welle werde die widerspenstige Wirtschaft mundtot gemacht. Zitat: „Die Fülle der substanziellen Fachartikel ist so groß, dass die Wirtschaft weder von der Menge noch von der Qualität mithalten kann.“ Als einzelne Bundesländer in den 70er Jahren versuchten, überzogene Grenzwerte abzuschwächen, wurden sie nach Hartkopfs Aussage „mithilfe der Medien wegadministriert.“

Dieser unauffällige FDP-Mann, dessen jeweilige Chefs – Genscher, Maihofer, Baum (alle FDP), Schmude (SPD) und Zimmermann (CSU) – anscheinend nie bemerkten, was er mit großem Einsatz und Steuergeld so alles trieb, war der Urvater und Züchter des deutschen Angst- und Ökowahns, den wir heute zum Gespött des Auslands mit über 20 Milliarden Euro jährlich allein für den „Klimaschutz“ bezahlen dürfen.

Dass heute Hunderte von Bürgerinitiativen gegen eine umweltzerstörende Politik – nicht der Wirtschaft, sondern der Regierung – kämpfen, ohne von Beamten „mit sachlichen Mitteln ausgestattet“ zu werden, ist eine traurige Ironie der Geschichte.

Staatssekretär Hartkopf erhielt nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband.

Hartkopfs zweiter großer Trumpf, die von ihm hoch gelobte effiziente und mit überlegenem know-how ausgestattete Verwaltung – insbesondere die der Bundesministerien – ist allerdings  inzwischen zerfallen. So hat das Wirken von Jürgen Trittin als Bundesumweltminister im Kabinett Schröder I (10.1989-10.2002) und Schöder II (10.2002-10.2005) zu einem fast totalen Kahlschlag bei den Fachleuten im BMU geführt, die durch grüne Aktivisten aus den Ökoinstituten ersetzt wurden. Die Mitleid erregenden, zwar ideologisch korrekten aber z.T. selbst der Physik widersprechenden Gesetze und Verordnungen aus diesem Haus, die der Energiewende und dem „Klimaschutz“ dienen sollten, sind eine Folge dieses Fachleute-Exorzismus‘.

Dass hierbei auch das stets beteiligte Bundeswirtschaftsministerium nur eine lange Geschichte des Versagens beisteuern konnte, liegt an der FDP. Diese Partei schaffte es, das BMWi vom Kabinett Brandt II (ab 15.12.1972) bis zum Ende des Kabinetts Kohl V (26.10.1098) ganze 16 Jahre ununterbrochen zu halten.

In den Regierungen Schröder I und II sowie Merkel I (Ende 28.10.2009) saß die FDP nicht; jedoch  in der Regierung Merkel II (28.10.2009 – 22.10.2013) besetzte sie wieder das BMWi mit Brüderle (bis Mai 2011) und danach Rösler. Das waren zusammen 20 Jahre seit 1972, in denen die FDP eine kompromisslose, allein auf die Unterbringung von Parteimitgliedern ausgerichtete Personalpolitik betrieb. Dass dabei die fachlichen Qualifikationen erst in zweiter Hinsicht eine Rolle spielten, schwächte dieses Ressort zunehmend. Der Einfluss dieses einst wichtigen Ministeriums in der Regierung, das schließlich einst von Ludwig Erhard und Karl Schiller geleitet wurde und in den 7 Jahren der Regierungen Schröder unter ihren Chefs Werner Müller und Wolfgang Clement die schweren Defizite nicht mehr beheben konnte, wurde unbedeutend – man brauchte es nicht mehr ernst zu nehmen. Das BMWi war nicht mehr in der Lage, der Ideologen-Mannschaft des BMU wirksam zu begegnen.

Den Tiefpunkt erreichte dieses Ressort unter Rösler, als es der Forderung der Offshore-Lobby nachgab und das Gesetz zur Übernahme der finanziellen Haftung bei Verzögerungen und anderen Problemen der Windparks durch die Stromverbraucher formulierte, vorlegte und verabschiedete: Eine planwirtschaftliche Todsünde, die nicht nur den Niedergang dieses einst die Marktwirtschaft verteitigenden Ressorts, sondern auch den Niedergang der FDP deutlich machte.

Man hätte nun annehmen können, dass zumindest das Bundesfinanzministerium BMF angesichts der Aussicht auf schwerste Schäden für die Wirtschaft sowie eine viel höhere Belastung der Bürger durch die Strompreise – also stark sinkende Steuereinnahmen – irgendwann die Notbremse ziehen musste. Aber das Gegenteil ist der Fall: Das BMF ist bislang einer der größten Profiteure der Strangulierung von (konventionellen) Stromerzeugern und         -Verbrauchern, weil eine ganze Serie von Steuergesetzen eine riesenhafte Einnahmequelle darstellt – allen voran die Stromsteuer und die Mehrwertsteuer, die auf alles noch obendrauf kommt. Damit finanzieren die Regierungen den Sozialstaat, ebenso wie sie von den enormen Einnahmen, die den privaten Autofahrern mit diversen Steuern abgenommen werden, schon immer einen beträchtlichen Anteil zweckentfremdet haben.

Das Bundesfinanzministerium beschleunigt also den Niedergang der Wirtschaft aus kurzfristigem Einnahmeinteresse. Was ohne eine deutliche Kursänderung in 10 oder 15 Jahren passiert, interessiert dort niemand.

Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist nicht erst von der Großen Koalition erfunden worden; auch nicht in der Ära Trittin (1989 – 2005), sondern es wurde als „Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz“ am 7.12.1990 von der Regierung Kohl III beschlossen und galt seit 1991. Umweltminister war Töpfer und Bangemann Wirtschaftsminister.

Es wurde danach von den 7 folgenden Bundesregierungen immer weiter ausgebaut und „verbessert“: Seit März 2000 hieß es dann EEG und enthielt die bedeutenden „Verbesserungen“ der Einführung des Vorrangprinzips, eines bundesweiten Wälzungsmechanismus und einer starken Anhebung der Vergütungssätze für die Photovoltaik – also starke Beschleunigungselemente für die Fahrt in die wirtschaftliche Katastrophe. Und das waren jetzt  tatsächlich die üblichen Verdächtigen Schröder und Trittin, die vermutlich noch heute darauf stolz sind.

Als die Probleme zunahmen,  befassten sich die späteren Regierungen zunehmend mit verschlimmbessernden Reparaturmaßnahmen, gaben das groteske Vorhaben aber nicht auf. Und so wird es weitergehen, bis der angerichtete Schaden vollends untragbar geworden ist.

 

Mit diesen Ausführungen soll deutlich gemacht werden, dass die Ursachen für die jetzige Situation, in der die Regierung scheinbar ratlos, hilflos und unter dem Spott des Auslands auf die Zerstörung der deutschen Energiewirtschaft zusteuert, während sie sich mit längst widerlegten Ausreden zu rechtfertigen versucht, eine lange Vorgeschichte haben. Hartkopfs größte Hinterlassenschaft – die Angst als politisches Instrument – ist nach wie vor präsent.

Selbstverständlich tragen auch einige der bekannten Politiker aus der jüngeren Vergangenheit und  Gegenwart – stellvertretend seien Merkel, Trittin, Töpfer, Gabriel und Rösler genannt – Schuld am jetzt erreichten Zustand.  Aber das Problem hat wesentlich tiefer gehende Wurzeln.