Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge. Klagen. Rechtsurteile. Dringend benötigter Umweltschutz oder blinder Aktionismus? Ist das wieder einmal eine der für Deutschland typischen Hysterien? Das Umweltbundesamt warnt vor giftigem NO2. „6.000 vorzeitige Todesfälle durch Stickstoffdioxid“, lautete eine Schlagzeile von ZEIT-Online am 8. März 2018 und beruft sich dabei auf einen Bericht des Umweltbundesamtes. Stickoxide sollen Erkrankungen wie Asthma, Allergien und Herzkreislauferkrankungen begünstigen.
Gesundheitliche Bewertung
Was sagen Experten: „Aus medizinischer Sicht ist der Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m3) völliger Unsinn“, argumentierte kürzlich Alexander Kekulé, Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, im Magazin „Zeit Doctor“. Die Menge des Stickstoffdioxids in unserer Luft sei weder giftig noch krebserregend. „Asthmatiker reagieren bei Werten oberhalb von 180 μg/m3mit einer leichten Schleimhautreizung. Bei Gesunden hingegen gibt es bis 1000 μg/m3 keinen messbaren Effekt.“ Die EU habe den 40 Mikrogramm-Grenzwert 1999 ungeprüft von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernommen. Doch er tauge nicht, um ihn auf den Straßenverkehr zu übertragen.1) Die WHO wiederum gibt seit mehr als zwei Jahrzehnten an, dass der Grenzwert im Jahresmittel 40 Mikrogramm betragen solle. Sie räumt selbst ein, dass es keine besonderen Studien gäbe, die diesen Wert belegen.
Inhaltlich gleich äußerte sich der Lungenfacharzt Prof. Dr. Dieter Köhler im Interview mit SternTV 2). Selbst bei höheren NO2-Konzentrationen seien keine gesundheitlichen Schäden gefunden worden. Auch bestreitet er Todesfälle bei Konzentrationen unterhalb der diversen Grenzwerte. So läge der dem 40 Mikrogramm Grenzwert vergleichbare Grenzwert in den USA bei 100 μg/m3. Der Arbeitsstättengrenzwert gar bei 9500 μg/m3, zehnfach höher als in Deutschland. Selbst bei diesem Grenzwert seien keine Schäden festgestellt worden. Zwar verbliebe NO2in der Lunge und bilde mit Wasserberührung eine Säure, der Organismus aber sei gewohnt, mit Säuren dieser Art und Konzentration umzugehen. Beim Interview brannten vier Adventskerzen. Auf die Frage, wieviel NO2in der Nähe der Kerzen sich bilden würden, meinte Köhler, dass sei natürlich vom Abstand abhängig, in der Nähe der Kerzen schätze er die Konzentration auf 100 bis 200 μg/m3. Die wegen Überschreitung der NO2-Grenzwerte getroffenen Maßnahmen, u.a. Fahrverbote, hielte er aus medizinischer Sicht für überflüssig.
Der Focus 3) schrieb am 5. September 2017: „Ein führender Toxikologe wie Professor Helmut Greim von der Technischen Universität München bestreitet sogar die wissenschaftliche Basis der festgelegten Grenzwerte von 40 µg NO2vim Freien. Greim war von 1992 bis 2007 Vorsitzender der MAK-Kommission, die Luftwerte am Arbeitsplatz bewertet. Aus Sicht des erfahrenen Giftkundlers hätten Epidemiologen der Weltgesundheitsorganisation WHO diese niedrigen Werte nur errechnet und festgelegt. Aber diese seien nicht plausibel. Das habe er als Experte bei der Bundestagsanhörung bereits am 8. September 2016 deutlich gesagt.“
(MAK steht für Maximale Arbeitsplatz Konzentration, in 2013 wurde der Begriff in Arbeitsplatzgrenzwert umbenannt.)
Der Abschlussbericht des 5. Untersuchungsausschusses zum Thema Dieselabgabe des Deutschen Bundestages nimmt eine Bewertung der gesundheitlichen Bedeutung von Emissionen aus Dieselfahrzeugen vor und kommt zu der Schlussfolgerung: „Epidemiologisch ist ein Zusammenhang zwischen Todesfällen und bestimmten NO2-Expositionen einer adäquaten Kausalität nicht erwiesen.“
Gleichwohl, auch das darf nicht unbeachtet bleiben, gibt es Mediziner, die diese Ansichten nicht vertreten und für die Beibehaltung bestehender Grenzwerte sind. Sie verweisen auf Langzeitstudien, die die schädigende Wirkung belegen oder/und berufen sich auf die Risikogruppe Kleinkinder und lungengeschädigte ältere Menschen mit höherer Empfindlichkeit gegenüber NO24)5). Wenn die Studie der Uni-Düsseldorf 4) allgemein anerkannt ist, dann ist unverständlich, wieso deren Ergebnis nicht bereits Eingang in die verbindliche Liste der Arbeitsplatzgrenzwerte gefunden hat.
An der Gefährdungseinschätzung muss Zweifel angebracht werden, weil für NO2ein Arbeitsplatzgrenzwert von 950 μg/m3 gilt. Laut Bundesgesundheitsblatt sind in Büros bis zu 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Innenraumluft erlaubt. Diese Grenzwerte sind definiert als die höchstzulässige Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei der im Allgemeinen die Gesundheit des Arbeitnehmers auch bei wiederholter und langfristiger (in der Regel 8-stündiger) Exposition und einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden nicht beeinträchtigt wird.
Unter Berücksichtigung der Aufenthaltszeit außerhalb des Arbeitsplatzes würde der Grenzwert von 950 μg/m3 einem mittleren „Grenzwert“ von 226 μg/m3 entsprechen, dem 5-fachen des Grenzwertes an der Straße.
Nicht nur im Dieselmotor, Stickstoffdioxid entsteht überall dort, wo Kohle, Gas, Öl, Holz und selbst auch Wachs verbrannt wird. Nicht nur im Straßenverkehr auch im Privaten beim Grillen, am Kamin- und Lagerfeuer, beim Abbrand von Kerzen, überall dort atmet der Mensch NO2 mit ein, vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein. Natürlich enthält auch Zigaretten- und Zigarrenrauch neben anderen Bestandteilen ebenfalls NO2. Diese Hinweise mögen als Urteilsmaßstab für die unterstellte schädigende Wirkung des NO2 verstanden werden. Sie sollen nicht die Dieselemissionen rechtfertigen, sondern sollen helfen, die Dieselemissionen in richtiger Relation zu anderen NO2-Entstehungen im täglichen Leben zusehen. Bei der gegenwärtigen Diskussion des NO2-Themas in Politik und Medien sind die Bewertungsmaßstäbe verschoben. Angesichts der vielfach als medizinisch unbedeutend angesehenen NO2-Konzentration von 40 μg/m3 erscheint der Grenzwert „Straße“ als unverhältnismäßig. Bei den Abhilfemaßnahmen gewinnt man den Eindruck, dass das Kind mit dem Bade ausgegossen wird.
Kritik an den Messstellen
Dieser Eindruck entsteht auch durch den Wirrwarr angeblicher Grenzwertüberschreitungen, der durch die Anbringung von Messstellen und deren Unvergleichbarkeit ausgelöst wurde. Unvergleichbarkeit deshalb, weil die Messstellen in unterschiedlichen Abständen vom Straßenrand angebracht werden. Es ist unstrittig, dass die Konzentration der Abgase direkt am Auspuff schädlich ist. Direkt nach dem Austritt der Abgase tritt eine Verdünnung auf, die durch Luftturbulenzen hinter dem Fahrzeug verstärkt werden. Somit hat die Anbringung der Messstelle einen entscheidenden Einfluss auf das Messergebnis. Eine EU-Richtlinie hat leider hierzu nicht zur Vereinheitlichung beigetragen.
Die Grenzwerte für Stickstoffoxide wurden in der EU-Richtlinie 2008/50/EG 6) festgelegt, wobei die 40 μg/m3 als Jahresmittelwert definiert sind. Daneben wurde ein Stundenmittelwert von 200 μg/m3 festgelegt, der nicht mehr als 18 mal im Jahr überschritten werden darf.
Zum Abstand der Messsonde vom Straßenrand und der Höhe ihrer Anbringung heißt es in Anhang III der Richtlinie unter anderem:
Im Allgemeinen muss sich der Messeinlass in einer Höhe zwischen 1,5 m (Atemzone) und 4 m über dem Boden befinden. Eine höhere Lage des Einlasses (bis zu 8 m) kann unter Umständen angezeigt sein. Ein höher gelegener Einlass kann auch angezeigt sein, wenn die Messstation für ein größeres Gebiet repräsentativ ist.
Der Messeinlass darf nicht in nächster Nähe von Quellen angebracht werden, um die unmittelbare Einleitung von Emissionen, die nicht mit der Umgebungsluft vermischt sind, zu vermeiden.
Bei allen Schadstoffen müssen die Probenahmestellen in verkehrsnahen Zonen mindestens 25 m vom Randverkehrsreicher Kreuzungen und höchstens 10 m vom Fahrbahnrand entfernt sein.
Die NO2– Konzentration nimmt etwa mit dem Quadrat der Entfernung von der Austrittsstelle (Auspuff) ab. Würde bei ruhender Luft und ohne Verwirbelungseffekte in einem Meter vom Emissionsort 200 μg/m3. gemessen, dann würde die Konzentration in 2 Meter Abstand auf 50, in 4 Meter Abstand auf 12,5 und in 10 Meter Abstand auf 2 μg/m3 abgefallen sein. Angaben von Konzentrationsmesswerten ohne Angabe des Messabstandes und Messhöhe sind folglich unvollständig. Wie angegeben dürfen die Probenahmestellen nach EU-Richtlinie höchstens 10 m vom Fahrbahnrand entfernt sein. Wenn z.B. in 3 m Abstand vom Straßenrand 50 μg/m3 NO2 deutlich über dem Grenzwert gemessen wurde, sind das in 10 m Abstand, der gemäß der EU-Richtlinie noch zulässig ist, 4,5 μg/m3 NO2, also sehr deutlich um fast den Faktor zehn unter dem Grenzwert. Diese Zusammenhänge werden oftmals missachtet. „Der Hinweis, dass wegen der schmalen Bürgersteige kein Platz sei, um die Messung in 10 m Abstand gemäß der EU-Richtlinie durchführen zu können, kann keine Rechtfertigung für den willkürlich gewählten kleineren Abstand begründen. Zumindest müsste man dann die sich mathematisch im Normalfall für ruhende Luft ergebende Reduktion rechnerisch bezogen auf 10 m berücksichtigen“, ließ Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt in seinem Schreiben 7) die AGEU wissen. Die durch die Richtlinien vorgegebene Bandbreite für den Abstand von der Straße und der Höhe der Messsonde hat einen Chaos in den veröffentlichten NO2-Werten hinterlassen, deren Vergleichbarkeit nur gegeben wäre, wenn die Werte auf einen ganz bestimmten, gewissermaßen genormten Messort bezogen sind.
Da nach EU-Richtlinie ein Messabstand von der Straße von bis 10 m zulässig ist, heißt das zugleich, dass der Jahresmittelwert von 40 μg/m3 NO2 in 10 m Abstand nicht überschritten werden darf. Bei geringerem Abstand können demzufolge höhere NO2-Werte auftreten, die nach Richtlinie zulässig sind. Es spricht nichts dagegen, diese Bandbreite auszunutzen. Auch bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von z.B. 50 km/h wird nicht erwartet, dass man mit nur 10 km/h dahinschleicht.
Abschließend sei eine rhetorische Frage gestattet: Aus welchem Grund auch immer, und es gäbe etliche, wurde ein derart niedriger NO2-Grenzwert für Dieselfahrzeuge festgesetzt, obwohl bekannt war, dass dieser Grenzwert selbst mit gegenwärtiger Motortechnik nicht unterschritten werden konnte? Die einstmals hochgelobte Dieseltechnik hat es verdient, auch heute noch umfänglich anerkannt zu werden. Die Fahrzeugingenieure haben in den letzten beiden Jahrzehnten einen äußerst leistungsfähigen Dieselmotor mit gegenüber älteren Modellen deutlich geringerem Schadstoffausstoß entwickelt, der Bewunderung verdient und nicht, wie es in Medien anklang, auf das Abstellgleis abgeschoben zu werden. Weitere Entwicklungsschritte sind nicht ausgeschlossen, aber irgendwann erreicht man die Grenze des Möglichen. Der Diesel ist und bleibt alternativlos.
1) FAZ „Ein umstrittener Grenzwert“, 16.11.2018 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/diesel-affaere/zweifel-an-regelung-zu-diesel-grenzwerten-15894805.html?service=printPreview
2) https://www.youtube.com/watch?v=_xtTVEi4YLg
3) https://www.focus.de/finanzen/karriere/berufsleben/dieselpanik-wegen-grenzwertluege-politik-ignoriert-zweifel-am-grenzwert-40-mikrogramm_id_7378545.html
5) FAZ 19.8.2017 http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/fakten-zur-dieseldebatte-wie-ungesund-sind-stickoxide-15138424.html
6) Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa
7) Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt, Schreiben an AGEU, 22.10.2018