Auch bei Sicherheit und Zuverlässigkeit der Stromversorgung müssten, wie in der Kerntechnik grundsätzlich üblich, auf Grund theoretischer Überlegungen und wissenschaftlicher Untersuchungen Störfälle und Ereignisse, die den großflächigen Stromausfall zur Folge hätten, vorausgesehen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ihrer Verhinderung eingeplant werden.
Die Bundesregierung hat in den Jahren 2011/2012 zwei Studien erstellen lassen, deren Ergebnis von großer Brisanz sind, die aber, so scheint es, von den Auftraggebern nicht oder nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen worden sind.
Erste Studie: Die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe unter fachlicher Leitung des Robert-Koch-Institutes erstellte Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi SARS“ [1] beschreibt geradezu hellseherisch genau das, was wir aktuell in der Corona-Krise erleben. Man hat also seit über sieben Jahren wissen können, dass eine Covid-19 Pandemie über die ganze Welt ziehen kann, dass das CoV-2 Virus höchst infektiös ist und keine Impfstoffe dagegen existieren. Wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit und insbesondere das Ausmaß einer Pandemie unterschätzt obwohl es in 2002/2003 die SARS-Pandemie bereits gab? MERS war 2012. Wie ist es sonst anders zu verstehen, weshalb keine ausreichende Vorsorge getroffen worden ist und die Welt nunmehr unvorbereitet in eine medizinische, wirtschaftliche, finanzielle und soziale Katastrophe hinein katapultiert wurde?
Das Ausmaß der Corona Pandemie hat weltweit unvorstellbare Ausmaße angenommen, dabei sei laut Experten der Höhepunkt noch nicht erreicht. Ausnahmslos alle Nationen wurden kalt erwischt. Das deutsche Gesundheitssystem ist im europäischen Vergleich zwar gut aufgestellt, gleichwohl kursiert in Deutschland die Befürchtung, dass die Intensivstationen mit Beatmung nicht ausreichen könnten, da das Ausmaß des Infektionsverlaufes nicht prognostizierbar sei.
Doch nicht die gewaltigen Folgen der Pandemie soll Gegenstand dieses Artikels sein, sondern der Umstand, dass trotz bestehender Kenntnisse über risikoträchtige Ereignisse offenbar die Meinung vorherrscht: „Wird schon nicht passieren, wir sind gut dagegen gerüstet“. Vielmehr möchte ich die Aufmerksamkeit auf die zweite Studie richten:
Die Bundesregierung hat 2011/2012 die „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und lang andauernden Ausfalls der Stromversorgung“ [2] untersuchen lassen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Oder?
Besteht in Anbetracht der gravierenden Defizite der Energiewende tatsächlich eine nach menschlichem Ermessen ausreichende Sicherheit gegen einen großflächigen Stromausfall? Ist allen überhaupt bewusst, welche unvorstellbar katastrophalen Folgen ein großräumiger Stromausfall hätte, der selbst die gegenwärtigen Pandemieprobleme in den Schatten stellen würde?
Anfang 2020 wurde der Bundesregierung die Frage nach der Sicherheit der Trinkwasserversorgung bei großflächigen Stromausfällen gestellt. Die Fragesteller sehen im Trinkwasser das wichtigste Lebensmittel. Damit habe die sichere und ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser höchste Wichtigkeit. Die technisch immer komplexer gewordene Wasserversorgung sei – vor allem zum Betrieb der Pumpwerke – auf die ununterbrochene Versorgung mit Elektrizität angewiesen. Dies galt in der Vergangenheit in Deutschland als selbstverständlich. Wegen des bevorstehenden Wegfalls der Kernkraftwerke und mittelfristig auch der Kohlekraftwerke und wegen des steigenden Anteils der erneuerbaren Energien, die wegen der wetterbedingt schwankenden (volatilen) Stromerzeugung für die Sicherung der Grundversorgung ungeeignet sind, sei „die sichere Stromversorgung in Gefahr geraten“.
Tatsache ist, dass in jüngster Zeit die Netzstabilität nur durch einige tausend von den Netzbetreibern vorgenommene Netzeingriffe pro Jahr gesichert werden konnte, unter anderem indem energieintensive Industriebetriebe, wie z.B. Aluminiumhütten, von der Stromversorgung abgekoppelt wurden. Zur Zeit der Liberalisierung des Strommarktes Mitte der 90er Jahre waren zum Vergleich maximal wenige zehn Eingriffe pro Jahr notwendig gewesen.
Die Bundesregierung hält in ihrer Antwort [3] diese Gefahr für unbegründet: „Deutschland verfügt aus Sicht der Bundesregierung über eine hervorragende Strom-Infrastruktur. ….Die Bundesregierung wird die Rahmenbedingungen bei der Energiewende so setzen, dass die Versorgungssicherheit auch in Zukunft mit wachsenden Anteilen von Strom aus Erneuerbaren Energien gewährleistet sein wird. Am 3. Juli 2019 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie den letzten Monitoringbericht nach § 63 i. V. m. § 51 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität vorgelegt. Er dokumentiert das hohe Niveau der Stromversorgungssicherheit in Deutschland.“
Und wenn nicht? Bei Kernkraftwerken wurde gern die Frage nach der absoluten Sicherheit gestellt. Kann die Bundesregierung absolut sicher sein, dass die Stromversorgung trotz ihrer massiven Eingriffe in eine bewährte Stromversorgungsstruktur durch die Energiewende dauerhaft sicher ist?
Die Dramaturgie der Folgenabschätzung bei lang andauerndem, großflächigem Stromausfall hat nichts mit Science Fiction zu tun, sie kann urplötzlich, schneller als im Fall der Corona-Pandemie, Realität werden. Sie vermittelt einen erschreckenden Eindruck von der Verletzbarkeit moderner Gesellschaften bei Versorgungsengpässen, Störungen der öffentlichen Sicherheit und Beeinträchtigungen im Straßen- und Schienenverkehr und von den hohen Anforderungen an das Gesundheits-, Notfall- und Rettungswesen… und dies alles ohne Vorwarnung. Einen kleinen Eindruck über die Abhängigkeit von solchen Infrastrukturen erhielt man bereits beim Elbe- und Oderhochwasser 2002/2005, dem Stromausfall Münsterland 2005 und dem Sturm Kyrill 2007.
Nun ist es nicht Ziel dieses Textes, detailliert auf die ca. 130-seitige Analyse der Technikfolgenabschätzung [2] einzugehen – sie ist im Internet einsehbar -, vielmehr soll anhand einiger markanter Textpassagen auf diese außergewöhnlich bedrohliche Situation hingewiesen werden, die der Zusammenfassung entnommen wurden:
„Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten würden sich die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage von besonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.“
„Aufgrund der Erfahrungen mit bisherigen nationalen und internationalen Stromausfällen sind erhebliche Schäden zu erwarten. Bisherige Stromausfälle dauerten höchstens einige Tage, einige verursachten jedoch geschätzte Kosten von mehreren Mrd. US-Dollar. Für den Fall eines mehrwöchigen Stromausfalls sind die Schäden zu erwarten, die um Größenordnungen höher liegen.“
„Die Folgen eines großräumigen, langfristigen Stromausfalls für Informationstechnik und Telekommunikation müssen als dramatisch eingeschätzt werden. Telekommunikations- und Datendienste fallen teils sofort, spätestens aber nach wenigen Tagen aus… wegen der Abhängigkeit von einer externen Stromversorgung fallen bei der Festnetztelefonie sofort das (digitale) Endgerät und der Teilnehmeranschluss aus, danach die Ortsvermittlungsstellen. Bei den Mobilfunknetzen sind es die Basisstationen, die die Einwahl in die Netze ermöglichen. Diese sind zumeist, bedingt durch das erhöhte Gesprächsaufkommen, binnen weniger Minuten überlastet oder fallen wegen nur kurzfristig funktionierender Notstromversorgung ganz aus.“
Krisenkommunikation mit der Bevölkerung: Ohne Strom können die Bürger mit Fernsehgeräten und Radio keine Meldungen empfangen.
„Im Sektor „Transport und Verkehr“ fallen die elektrisch betriebenen Elemente der Verkehrsträger Straße, Schiene, Luft und Wasser sofort oder nach wenigen Stunden aus. Dies betrifft sowohl die Transportmittel als auch die Infrastrukturen sowie die Steuerung und Organisation des entsprechenden Verkehrsträgers.“
„Der Stromausfall bringt den stromversorgten Schienenverkehr abrupt zum Stillstand. Viele Menschen sind in U-Bahnen und Zügen der Bahn eingeschlossen. Leitstellen, Stellwerke und Sicherungstechnik sind in ihren Funktionen drastisch eingeschränkt. Die Beeinträchtigung des Schienenverkehrs bedeutet eine massive Behinderung der Mobilität der Bevölkerung.“
„Die Wasserinfrastruktursysteme können ohne Strom bereits nach kürzester Zeit nicht mehr betrieben werden. Die Folgen ihres Ausfalls, insbesondere für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, wären katastrophal.“
„Der Lebensmittelhandel erweist sich angesichts der erhöhten Nachfrage als das schwächste Glied der Lebensmittelversorgung. Schon nach wenigen Tagen ist mit ernsthaften Engpässen bei der Lebensmittelversorgung zu rechnen.“ Die Geschäfte werden geschlossen bleiben, da unter anderem Funktionen der Beleuchtung, der Kühlung, der Kasse ausfallen.
„Das dezentral und hocharbeitsteilig organisierte Gesundheitswesen kann den Folgen eines Stromausfalls nur kurz widerstehen. Innerhalb einer Woche verschärft sich die Situation derart, dass selbst bei einem intensiven Einsatz regionaler Hilfskapazitäten vom weitgehenden Zusammenbrechen der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung auszugehen ist.“
Das Fazit lautet: „Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist. Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet, der grundgesetzlich verankerten Schutzpflicht für Leib und Leben seiner Bürger kann der Staat nicht mehr gerecht werden…. Träte dieser Fall ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht „beherrschbar“, allenfalls zu mildern.“
Es bedarf keiner Frage, dass dieses Schreckensszenario unter allen Umständen vermieden werden muss. Aber die von der Bundesregierung vorgetragene Wertschätzung der deutschen Strom-Infrastruktur überzeugt nicht. Sie kann nicht überzeugen. Die Energiewende weist gravierende Schwachstellen weist auf, die die Versorgungsicherheit gefährden.
In mehreren Artikeln (unter anderem hier, hier, hier, hier) wurden die Probleme der Energiewende ausführlich beschrieben. Hier nochmals die wesentlichen Kritikpunkte in Kurzfassung:
- Windenergie- und Solaranlagen können wegen ihrer Wetterabhängigkeit selbst bei mehrfacher Kapazität gegenüber dem aktuellen Ausbau die Strom-Grundversorgung nicht sicherstellen. Keine bedarfsgerechte Stromerzeugung möglich. Ökostromanlagen können fossile Kraftwerke nicht ersetzen.
- Die Häufigkeit der Netzeingriffe zwecks Sicherung der Netzstabilität, nahm drastisch zu und wächst weiter mit dem Ausbau der Ökoanlagen.
- Es gibt keine Stromspeicher in der erforderlichen Größe. Ein Ausbau der Pumpspeicherkraftwerke in der erforderlichen Größe ist in Deutschland allein aus geologischen Gründen nicht realisierbar. Neue Speichertechniken scheitern am Wirkungsgrad und an den Kosten.
- Das vorhandene, für den Windstromtransport von Nord nach Süd zu schwache Stromnetz für Höchstspannung, Mittel- und Niederspannung muss ausgebaut werden. Der Ausbau wird vermutlich nicht bedarfsgerecht zur Verfügung stehen.
- Das Erneuerbare-Energiegesetz verhindert einen fairen Wettbewerb unter marktwirtschaftlichen Bedingungen (Subvention des Ökostroms durch Umlage auf Strompreise, Vorrangeinspeisung zu Lasten der konventionellen Kraftwerke, Stromüberschüsse und dadurch bedingte Stromnegativerlöse). Folge: Erheblich höhere Strompreise als im europäischen Ausland.
- Der potentielle Zubau von Windenergieanlagen an Land ist infolge Abstandsregelung, wegen Flächenkonkurrenz mit landwirtschaftlicher Nutzung und wegen gegenseitiger ertragsmindernder „Verschattung“ nur noch begrenzt möglich.
Um die wesentlichen Kenngrößen des Stroms, Frequenz und Spannung, in engen Grenzen konstant zu halten, muss zwischen der Stromentnahme aus dem Netz und der Stromeinspeisung eine Art Gleichgewicht bestehen. Stromentnahmen sind folglich permanent wieder aufzufüllen. Diese Regelung geschieht in den Leitzentralen der Netzbetreiber. Es ist leicht vorstellbar, dass bei der ständig schwankenden Wind- und Solarstromerzeugung diese Regelung sehr kompliziert ist. Die Regelung wird umso komplizierter, je größer der Ökostromanteil am momentanen Strombedarf ist. Eine Regelung, die nicht selten sich am Abgrund bewegt.
Für die Regelung stehen ständig Regelkraftwerke in Bereitschaft, die „einspringen“, wenn die Ökostromerzeugung zu gering ist. Was aber geschieht bei zu großer Stromerzeugung, wenn Wind und Sonne „ihr Bestes“ geben und den momentanen Strombedarf übersteigen? Dann werden Windenergieanlagen abgeschaltet, was bei Solaranlagen nicht möglich ist und /oder der Strom wird in Nachbarstaaten abgeleitet – kostenlos und, damit er auch abgenommen wird, muss noch Geld draufgelegt werden. Die „mitlaufenden“ Grundlast- und Regelkraftwerke werden auf gerade noch vertretbarem Leistungsniveau zurückgefahren, müssen aber ständig im Betrieb bleiben, um permanente Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Deren Abschaltung würde den totalen Stromausfall auslösen.
Solange keine wirtschaftlichen Stromspeicher in ausreichender elektrischer Leistung zur Verfügung stehen (was auf absehbarer Zeit in Deutschland der Fall sein wird), besteht Strom-Versorgungssicherheit nur beim Einsatz von Kernkraftwerken und/oder Fossilkraftwerken. Staaten wie zum Beispiel Frankreich, Finnland, Schweden und Schweiz haben ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ökostromerzeugung und nuklearer Stromerzeugung.
Es fehlt breiten Teilen der Bevölkerung und offensichtlich leider auch unseren Politikern eine anschauliche Vorstellung davon, was ein langandauernder, großflächiger Stromausfall bedeutet. Das tragische daran ist, er wäre vermeidbar, wenn man die Technikfolgenabschätzung [2] in all seinen Facetten berücksichtigen würde. Wenn endlich die Ansicht reifen würde, dass eine sichere Stromversorgung ohne einen angemessenen Beitrag der bisherigen konventionellen Stromerzeugung unmöglich ist.
Convid-19 erteilte uns gerade eine äußerst gravierende Lektion wegen Missachtung vorhandener Kenntnisse.
[1] Bundestagsdrucksache 1712051 Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2013, 03.01.2013
[2] Bundestagsdrucksache 1705672 Technikfolgenabschätzung, 27.04.2011
[3] Bundestagsdrucksache 1916313, Sicherheit der Trinkwasserversorgung bei großflächigen Stromausfällen, 03.01.2020