750 Milliarden Euro will die Europäische Union nach bisherigem Diskussionsstand in ihr „Green Deal“-Vorhaben stecken. Schon vor der Corona-Pandemie war der Green Deal eine gigantische Herausforderung gewesen. Jetzt, wo etliche Industriezweige um das Überleben kämpfen müssen, verteidigt die Kommission weiterhin ihr Vorhaben gegen Kritik aus den Mitgliedsstaaten.
Wie das ARD-Studio Brüssel im Juni 2020 berichtete, will der Klima-Kommissar verhindern, dass jetzt Milliarden in den Wiederaufbau der „alten“ Wirtschaft gesteckt werden. Stattdessen soll gefördert werden, wer klimafreundlich produziert – etwa erneuerbare Energien, saubere Technologien, flächendeckende Ladenetze für Elektrofahrzeuge in ganz Europa und die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen.
Ein Eckpunkt des Vorhabens ist die Decarbonisierung der Energiewirtschaft, um klimaneutrale Emissionen bis 2050 zu erreichen. Ungeachtet der nicht erwiesenen Klimaschädlichkeit des CO2.
Der damit notwendige drastische Umbau der europäischen Energiewirtschaft macht aber nur dann Sinn, wenn auch weltweit Maßnahmen zur CO2– Reduzierung ergriffen werden.
Nach Angaben der IEA [1] betrugen die globalen energiebezogenen Emissionen in 2019 etwa 33 Gigatonnen (Gt) CO2. Die 28 Staaten der Europäischen Union haben hieran einen Anteil von nur 2,9 Gt. Die energiebezogenen CO2-Emissionen in Deutschland gibt die IEA mit 620 Mio Tonnen (0,62 Gt) an.
Trotz weltweiter Stilllegungen von Kohlekraftwerken stiegen die CO2-Emissionen außerhalb der Industrieländer 2019 um fast 400 Mio. t, wobei fast 80% des Anstiegs aus Asien stammten. In dieser Region stieg die Nachfrage nach Kohle weiter an und machte über 50% des Energieverbrauchs aus. Sie ist für rund 10 Gt Emissionen verantwortlich (Abb.).
Der CO2-Anteil aus der Verbrennung beträgt ca. 7,461 Gt (71 %), Quelle: Worldometer [5]
Nach Angaben von Carbonbrief [2] sind weltweit noch 189,8 GW Kohlekraftkapazität im Bau und weitere 331,9 GW in Planung. Dies steht im Widerspruch zu den Forderungen des UN-Generalsekretärs António Guterres nach einem weltweiten Moratorium für neue Kohlekraftwerke nach 2020.
Allein China verfügt über eine Kohlekraftwerkskapazität in Betrieb, im Aufbau und in der Planung von 249, 6 Gigawatt, die größer ist als die derzeitigen Kohleflotten der Vereinigten Staaten oder Indiens. In diesem Jahr stimmte China für den Bau von 17,0 GW Kohlekraftwerke, mehr als in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen [3].
Die derzeitigen einseitigen Bemühungen zur Verringerung der CO2-Emissionen verhindern nicht, dass die globalen Emissionen steigen. Daran wird sich infolge des Kohlekraftwerkzubaues in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern. Während Politiker weiterhin argumentieren, dass die Industrieländer verpflichtet sind, bei der Dekarbonisierung eine Vorreiterin zu sein, und dass der Rest der Welt unweigerlich folgen wird, besteht keine realistische Chance, dass dies innerhalb des angestrebten Zeitrahmens geschieht.
Der Hauptgrund dafür ist, dass es eine wettbewerbsfähige Technologie zur Gewährleistung einer sicheren CO2-freien Stromversorgung einfach nicht gibt. Es sei denn, die Regierungen sind bereit, Investitionen in eine erhebliche Anzahl neuer Kernkraftwerke zu fördern. Derzeit gibt es keine Möglichkeit, ausreichend Energie aus volatilen Quellen zu speichern, um die Stromversorgung über längere Zeiträume aufrechtzuerhalten, wenn weder Sonnen- noch Windenergie erzeugt wird. Erschwingliche Energiespeicherlösungen in großem Maßstab könnten zwar die Situation dramatisch verändern, aber das ist derzeit nur ein Wunschtraum.
In der Absicht, die drastische Reduzierung des Verbrauchs – und den endgültigen Ausstieg – fossiler Brennstoffe einzuhalten, setzen viele Industrieländer strenge nationale Ziele, was die Kosten für ihre eigenen Volkswirtschaften erhöht und unternehmerische Existenzen gefährdet. Ihre Annahme, dass andere ihrem Beispiel folgen werden, ist naiv. Im Gegenteil, die politischen Entscheidungsträger aufstrebender Volkswirtschaften können ihr eigenes Wachstum dadurch steigern, indem sie den Einsatz fossiler Brennstoffe weiter ausbauen und gleichzeitig ein Lippenbekenntnis für eine sauberere und umweltfreundlichere Zukunft ablegen.
Diese Ansicht wird auch von Livermore in seinem Bericht [4] vertreten, wenn er schreibt, „dass es keine realistische Chance gibt, dass die Entwicklungsländer diesen kostspieligen Ansatz in den nächsten 20 Jahren verfolgen werden.“ Nach seiner Auffassung werden viele der schnell wachsenden Kontinente Asiens und Afrikas ihre Nutzung fossiler Brennstoffe weiter ausweiten, während sie versuchen, ihre Wirtschaft anzukurbeln und die bittere Armut von Hunderten von Millionen Menschen zu lindern.
Seine Schlussfolgerung ist, dass Großbritanniens Net Zero-Politik völlig sinnlos ist, da die globalen CO2-Emissionen weiter steigen werden:
“Wir sind ein winziger Bruchteil der weltweiten Kohlendioxidemissionen, und der größte Teil der übrigen Welt wird weiterhin fossile Brennstoffe verbrennen. Alles, was wir tun, ist, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu schwächen und gleichzeitig keine Verringerung der globalen CO2-Emissionen zu erreichen.”
Der britische Blickwinkel des Autors hat uneingeschränkte Gültigkeit für ganz Europa.
Eine weitere Betrachtung kommt in der bisherigen Diskussion zu kurz: Selbst, wenn wir ganz Europa zu einer emissionsfreien Zone machen, werden wir weiterhin Lebensmittel konsumieren und Produkte und vor allem Rohstoffe verwenden, die aus Ländern importiert wurden, in denen die Kohlendioxidemissionen derzeit viel höher sind als unsere eigenen und die in naher Zukunft keine Anzeichen für einen Höhepunkt aufweisen.
Wird bei der – wie aufgezeigt – sinnlosen Net Zero-Politik nicht der Grundsatz der Staatsvernunft verletzt? Der berühmte Publizist Sebastian Haffner (1907 – 1999) vertrat die Ansicht, dass es beim Regierungshandeln um Staatsvernunft geht. „Große Staatsmänner und Staatsdenker haben diese Staatsvernunft sogar ganz bewusst höher gestellt als Moral, Humanität und Gewissen.“
Und: „Das oberste Vernunftgebot heißt Selbsterhaltung.“
Gewissermaßen als Fazit des vorangehenden Textes stellen sich folgende Fragen: Ist mit dem Gebot der Selbsterhaltung vereinbar, dass
- eine Politik der Decarbonisierung verfolgt wird, ohne stichhaltige Beweise über die Klimabeeinflussung durch CO2zu besitzen?
- eine bewährte und sichere Stromversorgung durch die volatile Stromversorgung mit Windkraft- und Solaranlagen zu ersetzen in Kenntnis über deren Ungeeignetheit für eine sichere Grundlastversorgung und in Kenntnis fehlender Stromspeicher?
- in Kenntnis der durch Windkraftanlagen verursachten Umweltschäden und erzeugten Infraschall mit gesundheitlicher Beeinträchtigung des Menschen weiterhin der Ausbau der Windkraftanlagen forciert wird?
- ohne parlamentarische Aussprache und Entscheidung sieben Kernkraftwerke ohne sicherheitstechnische Begründung unmittelbar abzuschalten und die friedliche Nutzung der Kernenergie gesetzlich zu beenden, obwohl ihre Funktion als Brückentechnologie zuvor als zwingend notwendig erklärt worden war?
- batteriebetriebene Kraftfahrzeuge in den Markt gedrängt werden in Kenntnis der zweifelhaften Vorteile der Batterie und die Autoindustrie in existentielle Bedrängnis zu bringen?
Die Antworten zu diesen Fragen ergeben sich direkt oder indirekt aus Äußerungen des Ex-Kanzlers Helmut Schmidt.
[1] https://www.iea.org/articles/global-co2-emissions-in-2019
[2] https://www.carbonbrief.org/analysis-the-global-coal-fleet-shrank-for-first-time-on-record-in-2020
[4] Martin Livermore, „The global Picture“, The Global Warming Policy Foundation Briefing 49, 08.09.2020
[5] https://www.worldometers.info/co2-emissions/china-co2-emissions/