“Ausland macht Tempo mit der Atomkraft” unter diesem Titel berichtete die FAZ vom 16.07.2022 über die Kernenergiesituation in Japan und Frankreich. In Japan sollen bislang abgeschaltete Reaktoren wieder ans Netz gehen und Frankreich plant den Bau neuer Kernkraftwerke. “Frankreich sieht sich dank der heimischen Kernkraftwerke und geringeren Abhängigkeit von Öl und Gas aus dem Ausland im Vorteil gegenüber Deutschland – in der aktuellen Energiesituation, aber auch langfristig”, heißt es in dem Artikel.
Prof. Dr.-Ing. Helmut Alt nahm diesen Artikel zum Anlass für folgenden Leserbrief an die FAZ:
“Die mit dem völkerrechtswidrig vom russischen Präsidenten Putin am 24.02.2022 begonnenen Angriffskrieg gegen den souveränen russischen Nachbarstaat Ukraine eingetretene Zeitenwende, die nach der Beteuerung im deutschen Bundestag von Wirtschafts- und Klimaminister Dr. Robert Habeck ein ideologiefreies Neudenken aller bisherigen politischen Entscheidungen auf dem Energiesektor erfordert, hat insbesondere unserer Industrienation Deutschland gezeigt, welchen Irrweg es ab 2011 aus ideologischen Gründen mit dem Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung gegangen ist. Unser Land war bis dahin weltführend in dieser Technik, die von Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann 1938 begründet und mit dem Nobelpreis in Physik geehrt wurde.
Leider wagt Herr Dr. Habeck es offensichtlich jedoch mit Rücksicht auf die Atomphobie seiner Partei noch nicht, seine Ankündigung im Bundestag zu einer ideologiefreien Neubewertung aller Optionen die weitere Nutzung der noch im Betrieb befindlichen drei Kernkraftwerke mit einer verlässlichen, wetter- und tageszeitunabhängigen Leistungsbereitstellung von rd. 4,3 GW weiter zu nutzen, um Deutschland, ebenso wie unsere Nachbarn Frankreich, Schweiz, GB, Belgien und Tschechien auch dann, wenn der Wind “einschläft”, weitgehend versorgungssicher zu halten. Das sogar zu denkbar geringsten Kosten.
Die Industrienation Deutschland hat sich aus politischen Gründen, in einen “Grünen Zeitgeist” eingeengt. Nachdem man ab der wiedererlangten Souveränität ab dem 5. Mai 1955 auf der wissenschaftlichen Basis von zwei neu gegründeten Kernforschungszentren in Jülich und Karlsruhe in Verbindung mit einer Aufbruchsstimmung in der Industrie und den Versorgungsunternehmen bereits zum Ende der 60er Jahre die Weltführerschaft in dieser Technik errungen hatte, ist man nach der Fukushima Katastrophe in Japan im Jahr 2011 aus rein politischen Gründen auf einer irrationalen Entscheidungsbasis der sogenannten “Kohlekommission” aus dieser Technik ausgestiegen.
Die heutigen politischen Handlungsverantwortlichen, namentlich die Herren Bundeskanzler Olaf Scholz und Minister Dr. Robert Habeck sollten zum “Wohle des deutschen Volkes” zur staatlich geförderten friedlichen Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung wieder zurückkehren. Daher mögen auch die Medien zur Kenntnis nehmen, dass es allein zur Ehre von Lise Meitner geboten ist, diese Art der Kraftwerke zur CO2 freien, kostengünstigen, sicheren und nahezu autarken Stromerzeugung in Deutschland gemäß der Begriffsnorm DIN/IEC 393-18-44 mit Kernkraftwerke und nicht mit Atommeiler oder ähnlichen Fehlbenennungen zu diffamieren:
Kraftwerke, in denen die Energie nicht aus Verbrennungsprozessen mit CO2 Abgasen gewonnen wird, z.B. 8,14 kWh Wärmeenergie pro kg Kohle bei Kohlekraftwerken, sondern CO2-frei aus der Spaltung bestimmter, spaltbarer Atomkerne z.B. aus U235 mit rd. 20 Millionen kWh Wärmeenergie pro kg U235. Diese Art Kraftwerke heißen daher Kernkraftwerke, weil nicht ein Kohlenstoffatom sich mit zwei Sauerstoffatomen zu einem CO2 Molekül unter Abgabe der vorgenannten Wärmeenergie von 8,14 kWh pro kg Kohle verbindet, sondern der Atomkern durch Neutronenbeschuss gespalten wird, wobei die vorgenannte millionenfach höhere Wärmeenergie pro kg spaltbarem Brennstoff in den Brennelementen des Reaktors, ohne Verbrennungsprozess mit Sauerstoff, frei wird.
Es scheint politisch sehr schwierig und wirtschaftlich sehr mühsam zu sein, den mit dem Atomausstieg begonnenen Irrweg, zu revidieren. Es ist nun aber infolge der zumindest europaweit anzustrebenden Energieautarkie an der Zeit, diesen Irrweg nicht weiter zu beschreiten, sondern die Stromerzeugung in Kernkraftwerke auf sichere, kostengünstige und CO2-freie Weise bei Akzeptanz der Mehrheit aller Bürgerinnen und Bürger in Europa wieder anzustreben.
Die Voraussetzungen dazu waren und sind bei umfassender Fachinformation gegenüber der breiten Öffentlichkeit und den Medien, vielleicht nicht zuletzt nach der mir persönlich von dem Aachener Bischof Klaus Hemmerle zu diesem Berufsfeld gegebenen Devise: „Sorglosigkeit und Zuversicht einerseits, Vorsicht und Umsicht andererseits, machen uns bereit, Verantwortung zu tragen“, sicher gegeben.”
Ende des Leserbriefes.
Im Zusammenhang mit der gegenwärtigen verhängnisvollen deutschen Energiepolitik sei an die Worte der damaligen Bundeskanzlerin Merkel auf dem Katholikentag am 23. Mai 2008 erinnert:
“Ich halte es nicht für sinnvoll, dass ausgerechnet das Land mit den sichersten Atomkraftwerken die friedliche Nutzung der Atomenergie einstellt. Deutschland macht sich lächerlich, wenn es sich dadurch ein gutes Gewissen machen will, dass Atom- und Kohlekraftwerke stillgelegt würden und gleichzeitig Strom, der aus denselben Energieträgern erzeugt worden ist, aus Nachbarländern importiert wird.”
Eine Aussage, die auch heute noch unverändert zutreffend ist. Dass Merkel drei Jahre später den Kernenergieausstieg fordert, geschah nur unter parteitaktischen Kalkülen, die sich insbesondere in der jetzigen dramatischen Energiesituation als gravierende politische Fehler erweisen.
Wie Deutschland den künftigen, zudem steigenden Strombedarf ohne Kernenergie und demnächst auch ohne Kohle sicher decken will, bleibt ein Rätsel. Mit Wind und Sonne gelingt das nicht. Es wird absehbar die Zeit kommen, in der Deutschland zwingend auf Stromimporte angewiesen ist. Und der wird einen beträchtlichen Teil Kernenergie-Strom enthalten. 22 europäische Staaten nutzen derzeit die Kernenergie, wie die nachfolgende Grafik von Rolf Schuster anschaulich beweist.
In diesem Zusammenhang sei an die Aussage des französischen EU-Kommissars Thierry Breton erinnert, der mit Blick auf Deutschland kürzlich sagte: »Wir können nicht sagen: Ich mache nicht, was ich machen könnte, aber erwarte, dass andere liefern, was ich brauche.«