NAGRA schlägt Endlagerstandort vor

Die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) hat nach eigenen Angaben [1] am 12. September 2022 Nördlich Lägern als Standort zur Entsorgung aller radioaktiven Abfälle in einem geologischen Tiefenlager vorgeschlagen. Das Gebiet liegt in den Kantonen Aargau und Zürich, nordwestlich von Bülach. Dieser Standort befindet sich in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze.

Die Brennelementverpackungsanlage soll beim bestehenden Zwischenlager in Würenlingen, im Kanton Aargau, erstellt werden. Von den drei vertieft untersuchten Gebieten weist Nördlich Lägern die größte geologische Barrierewirkung, die beste Stabilität der Gesteinsschichten sowie eine hohe Flexibilität für die Anordnung des unterirdischen Lagers auf.

Seit 2018 läuft die Suche nach Standorten für geologische Tiefenlager, in denen radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken, Medizin, Industrie und Forschung zukünftig dauerhaft sicher entsorgt werden.

Was spricht für Nördlich Lägern?
«Umfangreiche Untersuchungen haben gezeigt: Nördlich Lägern ist der beste Standort mit den größten Sicherheitsreserven. Die Qualität des Gesteins ist dort am höchsten, es schliesst den radioaktiven Abfall am besten ein – heute und in ferner Zukunft», hielt die Nagra fest. Während sich die Landschaft an der Erdoberfläche verändere, bleibe das Tiefenlager im Untergrund in Nördlich Lägern am besten geschützt, weil das Gestein dort am stabilsten sei. «Zudem ist der geeignete Bereich im Untergrund von Nördlich Lägern am größten – und damit auch die Flexibilität beim Bau des Lagers», so die Nagra.

Die nötige Gesteinsschicht von Opalinuston liege dort am tiefsten unter der Erdoberfläche, die Schicht sei am dicksten und der mögliche Bereich für das geplante Endlager am größten. In Nördlich Lägern seien in der Gesteinsschicht Spuren des ältesten Wassers gefunden worden: 175 Millionen Jahre alt. Das gebe ihm Vertrauen, auf lange Sicht Prognosen zu machen, hieß es. „Das Gestein ist sehr dicht, bindet radioaktive Materialien wie ein Magnet, und sollte es doch einmal brechen, heilt es sich von selber wieder.“

Die «Ankündigung des Standortgebiets ist noch keine Bewilligung», hielt das Bundesamt für Energie (BFE) fest. «Die Nagra erarbeitet nun bis voraussichtlich 2024 die Rahmenbewilligungsgesuche [für das Tiefenlager und die Brennelementeverpackungsanlage], die beim Bund eingereicht werden. Anschließend prüfen Behörden und Expertengremien die Gesuche, bevor der Bundesrat und das Parlament darüber entscheiden», erklärte die Nagra und ergänzte, dass das Schweizer Stimmvolk das letzte Wort haben werde, wenn ein Referendum zustande komme.

Die Prüfung bis hin zum Entscheid werde noch bis Ende der 2020er-Jahre dauern. «Die Bekanntgabe zum jetzigen Zeitpunkt ist aber nötig, damit die Zusammenarbeit der Akteure mit den Betroffenen weitergehen kann», so das BFE. Zudem sei die Bekanntgabe vorgeschrieben, um Transparenz zu schaffen.

Wie die Schweizer Atombehörde Nagra mitteilte, umfassen die hochradioaktiven Abfälle, die in Grenznähe zu Deutschland gelagert werden sollen, 9300 Kubikmeter. Das entspreche dem Volumen von etwa acht Einfamilienhäusern. Dazu kommen rund 72.000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktiver Abfälle.

Von deutscher lokaler Seite wurden neben einer grundsätzlichen Kritik zur Standortfindung ernsthafte Bedenken gegen das Vorhaben geäußert, so etwa in Sachen Grundwasserschutz in Verbindung mit gedachten Unfallszenarien betreffend Nukleartransporte. Auch Ausgleichszahlungen wurden bereits heute von deutschen Politikern gefordert.

Überraschend die Reaktion der Umweltministerin von Baden-Württemberg, Thekla Walker (Grüne), die einen ähnlichen Standort in der Nähe des geplanten Schweizer Endlagers nicht ausschließt [2].

“Baden-Württemberg hat ja immer gesagt, Geologie hat Vorrang”, so die Umweltministerin. “Das heißt, die sicherste Gesteinsschicht ist maßgeblich. Wenn die in Baden-Württemberg liegt, wenn es dort in der Erde so sein sollte, dieser so genannte Opalinus-Ton ist das ja in der Schweiz, der als sehr sicher gilt, dann könnte das durchaus sein.” [2]

Deutschland war in der Endlagerplanung in Europa einstmals führend. Mit dem in 2013 verabschiedeten Standortauswahlgesetz wurde die bisherige, von der Bundesregierung als eignungshöffig ausgewiesene Erkundung des Salzstockes Gorleben über den Haufen geworfen. Seither beginnt die Standortsuche gewissermaßen bei null, denn das bis dahin eindeutig und aus gutem Grund favorisierte Salzgestein als Endlagermedium wurde um die Alternativen Ton und Granit erweitert. Deutschlands Endlagerforschung war primär auf Salz ausgerichtet. Laut Gesetz soll bis 2031 ein Standort benannt werden.

 

[1] Nagra und BFE, Medienmitteilungen, 12. September 2022

[2] https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/walker-atommuell-endlager-schweizer-grenze-100.html