Laut BMWK-Pressemitteilung vom 27.09.2022 [1] hat sich der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, mit den Betreibern der Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim auf ein Konzept für eine Einsatzreserve verständigt. Den gemeinsam vereinbarten Eckpunkten zufolge sollen die beiden Kernkraftwerke nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31.12.2022 in eine Einsatzreserve überführt werden. Sie stehen damit bereit, um einen drohenden Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern. Um die Reserve zu ermöglichen, werden die Betreiber der beiden Kernkraftwerke ab sofort alles Erforderliche in die Wege leiten, damit die Anlagen über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zum 15.04.2023 weiter im Markt betrieben werden können.
Dann folgt in der Pressemitteilung ein Satz, der angesichts des zu erwartenden steigenden Strombedarfs in Deutschland nicht nur bei uns Kopfschütteln auslöst:
„Ob der Betrieb der Anlagen notwendig ist, wird entlang der Grunddaten des „Netzstresstests“ entschieden. Basis ist ein Monitoring, das die Verfügbarkeit der Atomkraftwerke in Frankreich, den Umfang der an den Markt zurückgekehrten Kohlekraftwerke, die Verfügbarkeit der Gas- und Kohlekraftwerke sowie die erwartete Entwicklung des Stromverbrauchs berücksichtigt. Die Entscheidung über den Reservebetrieb der Atomkraftwerke soll den Eckpunkten zufolge noch in diesem Jahr fallen.“
Deutschland baut seine Stromversorgungssicherheit künftig auf Stromlieferungen aus Frankreich, Strom der hauptsächlich in Kernkraftwerken erzeugt wird. Unbegreiflich!
Nicht nur, weil mehr als die Hälfte der dortigen Kernkraftwerke gegenwärtig nicht am Netz ist. Es fehlen daher Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Strom aus Gaskraftwerken ausgleicht. Vielmehr, weil Deutschland über kurz oder lang aus der Kernenergie aussteigen will, obwohl es über eine anspruchsvolle nukleare Kompetenz verfügt, sich aber mit Nuklearstrom aus dem Nachbarland versorgen lässt.
Und wer garantiert, dass sich die politische Einstellung zur Kernkraft in Frankreich nicht ändert? Oder dass erneut Kernkraftwerke wegen technischer Probleme abgeschaltet werden müssen?
Einzelheiten des Weiterbetriebs sind in einem Eckpunktepapier[1] geregelt. Unter anderem heißt es dort:
„Der Betrieb der Anlagen erfolgt wie bisher uneingeschränkt in der atomrechtlichen Verantwortung und Haftung der Anlagenbetreiber (Betreiberrisiko) ohne Einschränkungen bei der Sicherheit des Betriebs der Anlagen. Die geltenden Sicherheitsvor- gaben bleiben, d.h. an den Betrieb des jeweiligen Atomkraftwerks werden nach dem 31.12.2022 keine geringeren, aber auch keine neuen oder höheren Anforderungen an die Sicherheit oder die zu führenden Nachweise gestellt, als sie für den laufenden Betrieb des Atomkraftwerks gegenwärtig im Jahre 2022 maßgeblich sind. Das bedeutet insbesondere, dass die Bundesregierung keine Anpassung des Atomgesetzes vorschlagen wird, außer die für den Reserveeinsatz notwendigen Anpassungen (Verschiebung Ende des Leistungsbetriebs ohne Reststrommengenkontingente im Jahr 2023; Aufschub der Periodischen Sicherheitsüberprüfung). Auch Nachforderungen nach dem EntsorgungsFondsG oder Änderungen an der 18. Novelle des Atomgesetzes sowie der dazu beschlossenen öffentlich-rechtlichen Verträge wird es nicht geben. Schließlich besteht auch für etwaig zusätzlich entstehende Abfälle ein uneingeschränkter Abgabeanspruch gemäß EntsorgungsÜG (zusätzliche hochradioaktive Abfälle entstehen nicht).“