Bürgermeisterämter warnen vor der Scheinlösung “Wasserstoff”

Durch das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (seit 01.01.2024 in Kraft) sind die Kommunen Deutschlands verpflichtet, Wärmepläne zu erstellen.

Kürzlich beschloss der Bundestag im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes ein Gesetz zum Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes. Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Das Kernnetz soll die wichtigsten Leitungen der Wasserstofftransport- und Importinfrastruktur umfassen. Vorgesehen sind nahezu 10.000 km an Leitungen, die schrittweise von 2025 bis 2032 in Betrieb genommen werden sollen. In großen Teilen soll es sich um die „Umwidmung des derzeitigen Gasnetzes handeln”. Erwartet werden Investitionen von rund 20 Milliarden Euro.

Die Gaslieferer sehen hier eine Chance, allmählich von fossilem Erdgas auf höhere Wasserstoff-Anteile umzuschalten und so mittel- bis langfristig das bestehende Geschäftsmodell zu sichern. Entsprechend aktiv ist deren Lobby.

Vor diesem Hintergrund haben mehrere Organisationen unter Federführung des Umweltinstituts am 21.03.2024 einen offenen Brief [1] an die Bürgermeisterämter aller Gemeinden Deutschlands geschickt, in dem vor der Scheinlösung Wasserstoff gewarnt wird:

Wasserstoff ist ineffizient, voraussichtlich kaum verfügbar und wird dementsprechend mittel- und langfristig teuer bleiben. Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung stellt somit eine Kostenfalle für Kommunen und ihren Bürgern dar. Außerdem gefährdet Wasserstoff in der Wärmeplanung die nationalen Klimaziele.“

 Im Brief wird gefordert, bei der Erstellung und periodischen Überprüfungen der kommunalen Wärmeplanung darauf zu achten, dass

  • keine Wasserstoffnetze zur dezentralen Gebäudeheizung ausgewiesen werden.
  • Wasserstoffkraftwerke zur Speisung eines Wärmenetzes maximal zur Abdeckung der Spitzenlast vorgesehen werden.
  • in der kommunalen Wärmeplanung der Anteil an Wärmeerzeugung durch Verbrennung insgesamt (inkl. Biomasse und Biogas) minimiert wird.

Der offene Brief beruft sich auf das Policy-Paper der Scientists for Future [2], die davor warnen, Wasserstoff (H2) als Ersatz für Erdgas im Heizungsbereich zu nutzen. Dagegen sprächen drei Gründe:

  1. Verfügbarkeit: Grüner Wasserstoff wird auf lange Sicht nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung gestellt werden können.
  2.  Effizienz: Es gibt effizientere Alternativen zum Heizen mit grünem Wasserstoff.
  3. Kosten: Die mit der Herstellung und Verwendung verbundenen Kosten von grünem Wasserstoff sind viel zu hoch für einen breiten Einsatz im kommunalen Heizen.

Das für Bürger gravierendste Argument gegen Wasserstoff werden die enorme Kostensteigerung der Hausheizung sein. Damit eine direkte H2-Nutzung in heimischen Gasthermen überhaupt möglich ist, müsste das bestehende Versorgungssystem von Erdgas nach und nach auf Wasserstoff umgebaut werden, was aus verschiedenen Gründen eine sehr aufwändige und somit teure Maßnahme wäre:

  1. Die vorhandenen Gasleitungen sind für den Transport von 100% H2 überwiegend nicht geeignet, weil H2 durch die überwiegend aus herkömmlichen Materialien bestehenden Erdgasleitungen diffundieren kann.
  2. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein zunächst absehbarer Import von H2 ebenfalls die Kostensituation im Vergleich zur unmittelbaren Nutzung hier erzeugten Stromes verschlechtert.
  3. Der auf das Volumen bezogene Heizwert von H2 beträgt nur rund ein Drittel desjenigen von Erdgas, weshalb das dreifache Gasvolumen zur Erzielung gleicher Heizleistung benötigt würde (von notwendigen umfangreichen Änderungen an vorhandenen Gasthermen oder Neuanschaffungen einmal ganz abgesehen). Auch dafür sind die bestehenden Gasleitungen nicht ausgelegt.

Lesen Sie dazu auch unsere kritische Betrachtung der Wasserstoff-Strategie und die Umbaukosten des Energiesystems.

[1] https://umweltinstitut.org/wp-content/uploads/2024/03/Offener-Brief_Kostenfalle-Wasserstoff_05.pdf

[2] https://info-de.scientists4future.org/wasserstoff-in-der-energiewende/  Laut Wikipedia ist Scientists for future eine Initiative von Wissenschaftlern zur Unterstützung der Schülerbewegung friday for future.