CO2-Regulierung und Subventionen für E-Mobilität: Zuckerbrot und Peitsche

Nicht etwa durch deutsche Medien gelangte die Information über einen Bericht der Deutschen Bank Research auf den Schreibtisch, sondern aus der britischen „Journalism for the energy transition“ [1].  Ein Bericht, der wegen seiner Deutlichkeit und Brisanz ein Warnsignal an die Politiker unseres Landes sein sollte. Der Bericht [2], datiert vom 19. Januar 2021, wäre es allemal Wert, in voller Länge in Medien zu erscheinen, um der Öffentlichkeit die Folgen unserer Energie- und Umweltpolitik deutlich vor Augen zu führen. Bezeichnenderweise trägt der Bericht den Obertitel „Detroit lässt grüßen“ und weist damit auf die inzwischen katastrophalen Verhältnisse einer verfehlten Autoindustriepolitik hin, mit dramatischen Folgen für die Stadt.

Unter dem obigen Titel heißt es im Wortlaut – wohlgemerkt – einer Bank, nicht der Autoindustrie:

„Die klimapolitische Regulierung des Automobilsektors löst in der Branche den größten Strukturbruch seit Jahrzehnten aus. Strenge CO2-Grenzwerte für neue Pkw in der EU für die Jahre 2020/21 sowie für 2030 führen dazu, dass die Hersteller mehr Elektroautos auf den Markt bringen müssen. Ähnliche Regelungen gibt es in anderen Ländern, die jedoch nicht so ambitioniert ausfallen wie in der EU. Batterieelektrische Autos (BEV) werden in der EU als Null-Emissionsfahrzeuge behandelt, obwohl dies nur für die lokalen Emissionen und nicht für die Stromerzeugung oder gar die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Rohstoffgewinnung und Batterieproduktion gilt. Auch Plug-in-Hybride (PHEV) gelten als Autos mit geringen CO2-Emissionen pro Kilometer, obwohl diese aufgrund des zusätzlichen Gewichts hoch ausfallen, wenn die Fahrzeuge vom Verbrennungsmotor angetrieben werden. Daher wird die aktuell gültige CO2-Regulierung für Plug-in-Hybride bereits zunehmend kritisiert.

Viele Länder gewähren Subventionen für den Kauf von Elektroautos, da die reine Marktnachfrage noch immer recht klein ist. Diese Politik von „Zuckerbrot und Peitsche“ (Subventionen und Grenzwerte) führt dazu, dass die Automobilindustrie Fahrzeuge entwickelt und produziert bzw. produzieren muss, die den durchschnittlichen Autokäufer (ohne Förderung) noch nicht überzeugen. Dieser hält sich wegen hoher Anschaffungspreise gerade im Volumensegment, der geringeren Reichweite, fehlender Ladeinfrastruktur, wegen der längeren Ladedauer oder aus anderen Gründen zumeist noch zurück. Der Marktanteil von Elektroautos in der EU steigt zwar, aber Subventionen sind hierfür der wesentliche Treiber. Die aufgrund der Corona-Krise gesunkene Nachfrage nach Benzinern oder Diesel-Pkw im Jahr 2020 bei gleichzeitiger starker Subventionierung von E-Autos trägt dazu bei, dass deren Anteil an den Pkw-Neuzulassungen in der EU kräftig zugenommen hat. 2020 lag er für BEV, PHEV und Autos mit Brennstoffzelle über 8%, gegenüber 3% im Jahr 2019. In Deutschland waren 2020 es sogar 13,5%.

Was bedeutet dieser Strukturwandel für die Branche? Zunächst einmal führt er zu höheren Kosten (insbesondere Investitionen in die neue Technologie) und zu sinkenden durchschnittlichen Renditen pro Fahrzeug, denn auch die Autoindustrie subventioniert oftmals den Absatz von Elektroautos. Jene Hersteller, die ihre CO2-Grenzwerte 2020 und 2021 verfehlen, müssen Strafzahlungen leisten. Auch hieraus resultieren dann gegebenenfalls höhere Kosten. Ein Teil dieser Kosten wird an die Kunden und Zulieferer weitergegeben, ein Teil schmälert die Gewinnspanne der Unternehmen und fehlt damit für Investitionen, Gehaltserhöhungen oder Bonuszahlungen für die Beschäftigten sowie für Ausschüttungen an Aktionäre.

Auf die steigenden Kosten reagiert die Branche zudem mit der Verlagerung von Wertschöpfung an kostengünstigere Standorte. Dies geschieht zumeist nicht von heute auf morgen, sondern vollzieht sich über viele Jahre. Ferner führt die Umstellung vom traditionellen Verbrennungsmotor auf elektrische Antriebe zu Verschiebungen in der Wertschöpfungskette. Es wird wohl auch in Deutschland eine nennenswerte Batteriezellenproduktion geben. Gleichwohl dürften Batterien für Elektroautos künftig zu einem nennenswerten Anteil importiert werden. Mit einem steigenden Marktanteil von Elektroautos werden weniger Teile und Komponenten des klassischen Antriebsstrangs benötigt (neben Motoren auch Getriebe, Abgasanlagen usw.), die heute noch zu einem großen Teil in Deutschland hergestellt werden. Zuletzt waren schon die ersten Ankündigungen aus der Branche zu vernehmen, dass die traditionelle Motorenproduktion aus Deutschland ins Ausland verlagert wird. Kaum jemand erwartet, dass die Netto-Bilanz dieses Strukturwandels für die Wertschöpfung und Beschäftigung der Automobilindustrie in Deutschland positiv ausfallen wird. Wir erwarten dies zum heutigen Zeitpunkt auch nicht.

Diese Ausführungen sollten nicht falsch verstanden werden: Die CO2– Emissionen des Verkehrssektors tragen zum Klimawandel bei [3] und sind ein externer Effekt, der auf geeignete Weise internalisiert werden sollte. Eine Regulierung dieser Emissionen ist ordnungspolitisch angezeigt. Leider sind die von der EU gewählten CO2-Grenzwerte für neue Pkw gepaart mit massiven Subventionen für Elektroautos auf nationaler Ebene äußerst ineffiziente (teure) und kaum wirksame Instrumente, um dies zu erreichen. Der steigende Anteil von Elektroautos wird bei den gesamten CO2-Emissionen in Deutschland oder der EU in den kommenden Jahren keinen nennenswerten Unterschied machen. Global könnte der Anteilsgewinn von Elektroautos aufgrund der energieintensiven Rohstoffgewinnung und Batterieproduktion sowie wegen des hohen Anteils an Kohlestrom, der in vielen Ländern (China) für das Laden der Fahrzeuge eingesetzt wird, vorerst sogar mit steigenden CO2-Emissionen verbunden sein. Selbst im Falle einer positiven CO2-Bilanz ist es besonders teuer, durch die Elektrifizierung von Autos CO2-Emissionen einzusparen.

Wir plädieren daher wie viele andere Ökonomen dafür, die Emissionen des Verkehrssektors über einen Upstream-Ansatz in den EU-Emissionshandel zu integrieren. Das deutsche Klimaschutzpaket von 2019 umfasst zumindest teilweise einen solchen Ansatz. CO2-Grenzwerte für Neuwagen und technologiespezifische Subventionen wären nicht notwendig, wenn es eine umfassende Integration des Verkehrssektors in den Emissionshandel gäbe. Auch eine einheitliche CO2-Steuer wäre besser als das gewählte Regime.

Aktuell sieht es jedoch nicht danach aus, dass die bestehende Regulierung im Grundsatz geändert würde. Dazu dürfte es allenfalls dann kommen, wenn alle europäischen Autobauer – also auch jene aus Frankreich und Italien – in den kommenden Jahren Probleme bekommen sollten, die CO2-Grenzwerte einzuhalten. Dann dürfte auch aus diesen Ländern der politische Druck auf die EU zunehmen. Dies hängt also in erster Linie von der künftigen Entwicklung der Nachfrage nach Elektroautos ab. Noch ist ungewiss, wann diese Nachfrage keiner staatlichen Förderung mehr bedarf. In China sank die Nachfrage nach Elektroautos im Sommer 2019 rapide, als die Subventionen gekürzt wurden.“

„Die Unsicherheiten über die künftige Ausgestaltung der deutschen Klima- und Energiepolitik haben dazu beigetragen, dass der Kapitalstock in energieintensiven Branchen wie der Metallerzeugung oder der Chemieindustrie in Deutschland seit vielen Jahren sinkt. Auslöser dafür ist weniger der tatsächlich zu zahlende Strompreis, denn dieser liegt wegen der Ausnahmeregelungen beim EEG oder beim EU-Emissionshandel für energieintensive Unternehmen auf einem recht niedrigen Niveau. Relevanter ist vielmehr die Unsicherheit, wie lange diese Ausnahmeregelungen gewährt werden. Eine solche Unsicherheit schmälert im Großanlagenbau offenkundig die Investitionsbereitschaft. Metallerzeugung und Chemieindustrie zählen letztlich auch zur automobilen Wertschöpfungskette in Deutschland. Durch die Investitionszurückhaltung werden Teile dieser Kette geschwächt. Für die Autoindustrie selbst oder auch den Maschinenbau als wichtigen Ausrüster sind die im internationalen Vergleich hohen industriellen Strompreise dagegen tatsächlich eine Belastung, auch wenn die eigentlichen Produktionsprozesse dieser Branchen nicht energieintensiv sind. Hohe Strompreise sind für Investitionsentscheidungen an einem Standort dann nachteilig, wenn – wie in den nächsten Jahren zu erwarten ist – die Automatisierung der Produktion weiter vorangetrieben wird. Auch hier hat sich Deutschlands relative Wettbewerbsposition in den letzten Jahren verschlechtert.“

In gleicher Weise äußerte sich der Gesamtmetall-Präsident Dr. Rainer Dulger im Interview mit der Welt bereits am 1.4.2019 extrem kritisch zur deutschen Energiepolitik auf die Frage, ob denn die Rahmenbedingungen wirklich so mies sind:

„Nehmen Sie die Energiewende. Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat hier doch überhaupt kein Konzept. Die Stromkosten sind in Deutschland für die meisten Unternehmen mittlerweile fast doppelt so hoch wie in Nachbarländern, etwa in Polen und Tschechien. Wir hatten einmal eine der besten und sichersten Energieversorgungen der Welt. Jetzt herrscht dagegen ein heilloses Chaos. Der Netzausbau kommt nicht zügig in Gang, trotzdem wurde nach dem Atomausstieg nun auch noch ein übereilter Kohleausstieg beschlossen. Hinzu kommen die neuen unrealistischen CO2-Ziele, denen die Bundesumweltministerin in Brüssel entgegen vorherigen Absprachen zugestimmt hat. Das alles ist absurd. Der hohe Strompreis schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit enorm und treibt energieintensive Unternehmen ins Ausland. Und jetzt sind wir auch noch dabei, die Autoindustrie kaputtzureden. Diese grünen Träumereien müssen aufhören. Deutschland war schon mal der kranke Mann Europas, bis die Schröderschen Reformen uns wieder fit gemacht haben. Jetzt sind wir wieder auf dem besten Weg, Europas kranker Mann zu werden.“

Deutlicher lässt sich die momentane Situation in Deutschland nicht beschreiben.

(Die textlichen Hervorhebungen wurde von der AGEU vorgenommen.)

[1] https://www.cleanenergywire.org/news/climate-regulation-threatens-competitiveness-german-auto-industry-deutsche-bank?mc_cid=9c019ddb5a&mc_eid=2560bc397b

[2] https://www.dbresearch.de/MAIL/RPS_DE-PROD/PROD0000000000515751.pdf?&mc_cid=9c019ddb5a&mc_eid=2560bc397b&realload=U2F1pbx7stYjJvite/GOu6FM12J/AFctfug3IPOEXaxIhyD8umtBzPz8e6ppG8Cpd//Gz8LO4EA=

[3] Wie die AGEU bereits in mehreren Artikeln ausführte, trägt das menschengemachte CO2 nur geringfügig zur Erhöhung der Erdtemperatur und somit zum Klimawandel bei.