Überfällige Hinterfragung der Folgen des Klimawandels

„Entgegen der landläufigen Meinung deuten selbst die offiziellen Bewertungsberichte darauf hin, dass ein signifikanter, vom Menschen verursachter Klimawandel bis zum Ende dieses Jahrhunderts vernachlässigbare wirtschaftliche Nettoauswirkungen auf die Welt oder die US-Volkswirtschaften haben würde.“

Zu dieser Erkenntnis gelangt Steven E. Koonin *) in seinem Buch „Unsettled: What climate science tells us, what it doesn’t, and why it matters”. Nachfolgend ein von ihm verfasster Auszug hieraus:

Was sagen Forschungs- und Regierungsberichte über den vom Menschen verursachten Klimawandel und seinen Konsequenzen?

Der Mensch hat bereits das Erdklima beeinflusst. Die Temperaturen steigen, der Meeresspiegel steigt, das Eis schmilzt und Hitzewellen, Stürme, Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände sind eine immer schlimmer werdende Geißel auf der Welt. Treibhausgasemissionen verursachen all dies. Und wenn sie nicht durch radikale Veränderungen der Gesellschaft und ihrer Energiesysteme umgehend beseitigt werden, sagt “The Science”, dass es für die Lebensgrundlage verhängnisvoll wäre.

Gut… Nicht ganz. Ja, es stimmt, dass die Erdtemperatur leicht ansteigt und dass der Mensch einen wärmenden Einfluss auf die Atmosphäre hat.

Aber zum Beispiel sagen sowohl die Forschungsliteratur als auch Regierungsberichte, die den Zustand der Klimawissenschaft zusammenfassen und bewerten, klar, dass Hitzewellen in den USA heute nicht häufiger sind als 1900, und dass die wärmsten Temperaturen in den USA in den letzten 50 Jahren nicht gestiegen sind. Wenn ich das den Leuten erzähle, sind die meisten ungläubig. Einige nehmen es zur Kenntnis und einige werden geradezu feindselig.

Aber das sind mit ziemlicher Sicherheit nicht die einzigen Klimafakten, die Sie noch nicht gehört haben. Hier sind drei weitere, die überraschen könnten, direkt aus der jüngsten veröffentlichten Forschung oder den neuesten Bewertungen der Klimawissenschaft, die von der US-Regierung und von der UN veröffentlicht wurden:

  • Die Menschen hatten im vergangenen Jahrhundert keine nachweisbaren Einflüsse auf Hurrikane.
  • Grönlands Eisschild schrumpft heute nicht schneller als vor 80 Jahren.
  • Die wirtschaftlichen Nettoauswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels werden zumindest bis zum Ende dieses Jahrhunderts minimal sein.

Also, worum geht es . . .?

Ich bin ein Wissenschaftler – ich arbeite daran, die Welt durch Messungen und Beobachtungen zu verstehen und dann klar zu kommunizieren, wie aufregend und die Implikationen dieses Verständnisses sind. Zu Beginn meiner Karriere hatte ich großen Spaß dabei für esoterische Phänomene im Bereich der Atome und Kerne mit Hochleistungs-Computermodellierung (die auch ein wichtiges Werkzeug für einen Großteil der Klimawissenschaft ist). Aber ab 2004 verbrachte ich etwa ein Jahrzehnt damit, diese Methoden auf das Thema Klima und seine Auswirkungen auf Energietechnologien anzuwenden. Ich tat dies zuerst als Chefwissenschaftler für den Ölkonzern BP, wo ich mich auf die Förderung erneuerbarer Energien konzentrierte, und dann als Staatssekretär für Wissenschaft in das Energieministerium der Obama-Administration, wo ich die Investitionen der Regierung in Energietechnologien und Klimawissenschaft leiten konnte. Ich fand große Zufriedenheit in diesen Rollen und half, Maßnahmen zu definieren und zu katalysieren, die die Kohlendioxidemissionen reduzieren würden, den vereinbarten Imperativ, der “den Planeten retten” würde.

Aber dann begannen die Zweifel . . .

Aus Kapitel Neun: ‘Apocalypses That Ain’t’:

In 2018, am Tag nach Thanksgiving (Black Friday), wurde der zweite Band der Vierten Nationalen Klimabewertung (NCA2018) veröffentlicht. Es befasst sich mit den projizierten Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels und erzeugte sofort die inzwischen bekannten Schlagzeilen, die vor einer drohenden wirtschaftlichen Katastrophe warnen, darunter:

  • “Klimawandel wird die US-Wirtschaft verdreschen (wallop)” (NBC News)
  • “Klimabericht warnt vor düsteren wirtschaftlichen Folgen” (Fox News)
  • “Klimawandel könnte US-Milliarden kosten” (Financial Times)
  • “US-Klimabericht warnt vor geschädigter Umwelt und schrumpfender Wirtschaft” (New York Times)

In der Tat lautet die Kernbotschaft Nr. 2 des Kapitels 29 des Berichts:

In Ermangelung bedeutenderer globaler Klimaschutzbemühungen wird der Klimawandel voraussichtlich erhebliche Schäden für die US-Wirtschaft, die menschliche Gesundheit und die Umwelt verursachen. Unter Szenarien mit hohen Emissionen und begrenzter oder gar keiner Anpassung werden die jährlichen Verluste in einigen Sektoren bis zum Ende des Jahrhunderts auf Hunderte von Milliarden Dollar anwachsen.

Sowohl die Kernbotschaft als auch die hitzigen Schlagzeilen haben mich sehr bestürzt – sie sind eindeutig als beängstigend gedacht. Dennoch hatte ich das Thema studiert und wusste, dass die projizierten wirtschaftlichen Nettoauswirkungen minimal sein würden. Lassen Sie mich das erklären.

Ich habe mich zum ersten Mal mit den wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels im Jahr zuvor, im Jahr 2017, befasst, als eine der größten Investitionsorganisationen der Welt mich um Rat zur Klimawissenschaft bat. Da sie darum gebeten hatten, dass ich die wirtschaftlichen Auswirkungen umreiße, hatte ich sorgfältig gelesen, was der Fünfte Bewertungsbericht (AR5) der Vereinten Union zu diesem Thema zu sagen hatte.

Prognosen über die wirtschaftlichen Auswirkungen eines sich verändernden Klimas sind höchst ungewiss. Natürlich wissen wir bereits, dass es große Unsicherheiten darüber gibt, wie sich das Klima aufgrund unzureichender Klimamodelle und Unsicherheiten bei künftigen Emissionen verändern wird. Und die Klimaunsicherheiten sind auf regionaler Ebene größer als auf globaler Ebene.

Darüber hinaus ist das Klima nur einer von vielen Faktoren, die die wirtschaftliche Entwicklung und das Wohlbefinden beeinflussen. Wirtschaftspolitik, Handel, Technologie und Governance sind ebenfalls wichtig, und diese sind in verschiedenen Ländern unterschiedlich und können sich auf unvorhersehbare Weise ändern. Die wirtschaftlichen Maßnahmen sind sehr regional, und ihre künftigen Unsicherheiten werden durch die Unsicherheit regionaler Klimaprognosen noch verstärkt. Es ist besonders schwer vorherzusagen, wie und inwieweit eine steigende Temperatur einer Gesellschaft angesichts so vieler Unbekannten wirtschaftlich schaden würde – darunter die Rolle, die Anpassungsmaßnahmen wie das erhöhen von Deichen oder Veränderungen in der Landwirtschaft spielen könnten, die die Auswirkungen des Klimawandels minimieren oder manchmal sogar ausnutzen.

Trotz dieser Herausforderungen sagt die Ar5-Arbeitsgruppe II, deren Teil der Bewertung den ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der von der Arbeitsgruppe I skizzierten Klimaveränderungen gewidmet ist, etwas darüber aus, wie die Weltwirtschaft durch einen sich erwärmenden Globus beeinflusst würde. In meinem Buch nenne ich 20 veröffentlichte Schätzungen, die zeigen, dass der (inzwischen bekannte) projizierte globale Temperaturanstieg von bis zu 3 °C bis 2100 die Weltwirtschaft um 3 Prozent oder weniger negativ beeinflussen würde.

Für mein Gespräch mit den Investoren habe ich einen wichtigen Kontext bereitgestellt, der im UN-Bericht fehlte. Ein Einfluss von 3 Prozent im Jahr 2100 – in etwa 80 Jahren – bedeutet einen Rückgang der jährlichen Wachstumsrate um durchschnittlich 3 Prozent geteilt durch 80 oder etwa 0,04 Prozent pro Jahr. Die IPCC-Szenarien (in Kapitel 3 erörtert) gehen von einer durchschnittlichen globalen jährlichen Wachstumsrate von etwa 2 Prozent bis 2100 aus. Die Klimaauswirkungen wären dann ein Rückgang um 0,04 Prozent in dieser Wachstumsrate von 2 Prozent, bei einer daraus resultierenden Wachstumsrate von 1,96 Prozent. Mit anderen Worten, der UN-Bericht sagt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels vernachlässigbar sind, höchstens eine Beule auf der Straße. Der erste Punkt in der Zusammenfassung ihres Kapitels 10 ist in der Tat:

In den meisten Wirtschaftssektoren sind die Auswirkungen des Klimawandels im Verhältnis zu den Auswirkungen anderer Beeinflusser gering. Veränderungen in Bevölkerung, Alter, Einkommen, Technologie, relativen Preisen, Lebensstil, Regulierung, Governance und vielen anderen Aspekten der sozioökonomischen Entwicklung werden sich auf das Angebot und die Nachfrage von Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen auswirken, die im Verhältnis zu den Auswirkungen des Klimawandels groß sind.

Ein 2018 von einem der koordinierenden Hauptautoren des IPCC verfasster Artikel überprüfte weitere vier Jahre veröffentlichter Arbeiten und kam zu einem ähnlichen Ergebnis:

Die wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen des Klimawandels sind negativ, aber im Durchschnitt bescheiden und . . . die schwerwiegenden Auswirkungen auf die weniger entwickelten Länder sind in erster Linie auf Armut verursacht.

 

Der Konsens über die minimalen wirtschaftlichen Auswirkungen steigender Temperaturen ist Experten wohlbekannt, obwohl er für diejenigen, die beim Klima Alarm schlagen wollen, unbequem ist. Ich war fassungslos, als ich einen prominenten Umweltpolitiker nach der UN-Bewertung fragte und die Antwort lautete: “Ja, es ist bedauerlich, dass die Impact-Zahlen so gering sind.

Jedenfalls veranlasste mich dieser Hintergrund, mich auf die atemlose Berichterstattung einzulassen, die mit der Veröffentlichung von Volume II von NCA2018 einherging. Die letzte Zahl im letzten Kapitel dieses Berichts basiert auf einem 2017 im Magazin Science veröffentlichten Papier. Es zeigt, dass projizierte direkte Schäden der US-Wirtschaft am Ende des Jahrhunderts mit zunehmender globaler Durchschnittstemperatur (die Anomalie im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1980–2010) zwar zunehmen. Wie in der IPCC-Projektion für die Weltwirtschaft sind die Auswirkungen auf die USA aber gering: Eine sehr große Erwärmung von 5 °C (9 °F) am Ende des Jahrhunderts würde die US-Wirtschaft um 4 Prozent schmälern. (Es sollte erwähnt werden, dass diese 5 °C Erwärmung im Vergleich zur heutigen Temperatur, die bereits um 1 °C von vorindustriellen Werten angestiegen ist, also mit 6 °C deutlich über dem Ziel des Pariser Abkommen mit 1,5 0C liegt.)

Wie der UN-Bericht stellt NCA2018 dies nicht in einen Zusammenhang, aber ich kann es ganz einfach tun: Die US-Wirtschaft ist seit 1930 mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 3,2 Prozent gewachsen (es ist jetzt fast 20-mal größer als vor 90 Jahren). Unter der konservativen Annahme, dass das jährliche Wirtschaftswachstum in den nächsten 70 Jahren durchschnittlich 2 Prozent betragen wird, wird die US-Wirtschaft 2090 viermal so groß sein wie heute. Die angeblichen Klimaauswirkungen von 4 Prozent im Jahr 2090 entsprechen dann zwei Jahren Wachstum. Mit anderen Worten, eine zusätzliche Erwärmung von 5 °C bis 2090 würde das Wachstum der US-Wirtschaft bis zu diesem Zeitpunkt – 70 Jahre später – um nur zwei Jahre verzögern . . .

 

Innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung der NCA2018 am Black Friday hatte ich eine kurze persönliche Erklärung (op-ed-saying) verfasst, in der mehr oder weniger das steht, was ich hier gesagt habe und was das Wall Street Journal am Montag online veröffentlichte. Am nächsten Tag schickte ein prominenter US-Energieökonom eine E-Mail, in der er sich bei mir dafür bedankte, dass ich diese Aussage gemacht habe – leider konnte diese Person diesen Dank nie öffentlich zum Ausdruck bringen. In der nächsten Woche äußerte sich einer der Autoren des ursprünglichen Forschungspapiers aus dem Jahr 2017, aus dem die im Bewertungsbericht verwendeten Schätzungen gezogen wurden, bestürzt über die Darstellung ihrer Ergebnisse in den Medien.

Das klimawissenschaftliche Establishment, vor allem die Autoren von NCA2018, reagierte auf meine persönliche Erklärung mit Schweigen. Sie haben nichts getan, um die Dramatisierung der Medien anzugehen. Vielleicht waren sie durch ihre eigene Schwarzmalerei (doom-mongering) in Verlegenheit gebracht worden. Oder vielleicht war es genau die Berichterstattung, die sie sich erhofft hatten, wie der Politiker, den ich vorhin erwähnte, der sich gewünscht hatte, dass die Impact-Zahlen größer gewesen wären.

Wie Sie zweifellos selbst bemerkt haben, bleibt der Begriff der klimabedingten wirtschaftlichen Katastrophe in den Medien und im politischen Dialog lebendig. Die Ökonomie wurde als “düstere Wissenschaft” bezeichnet, und ich scherzte einmal zu einem prominenten Ökonomen, dass die Vermischung von Klima- und Wirtschaftsprognosen ein “doppelt trostloses” Unterfangen sei. Es ist zu erwarten, dass Faktoren im Zusammenhang mit dem Klimawandel – einschließlich Verschiebungen der landwirtschaftlichen Bedingungen oder Schwankungen der Sturmmuster – unterschiedliche wirtschaftliche Auswirkungen (und Vorteile) auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren haben werden. Doch entgegen der landläufigen Meinung deuten selbst die offiziellen Bewertungsberichte darauf hin, dass ein signifikanter, vom Menschen verursachter Klimawandel bis zum Ende dieses Jahrhunderts vernachlässigbare wirtschaftliche Nettoauswirkungen auf die Welt oder die US-Volkswirtschaften haben würde. (Ende des Zitats)

Angesichts dieser Aussagen von Steven Koonin möge jeder Leser die politischen Umstände für das am 12. Mai 2021 von der Bundesregierung beschlossene Bundesklimaschutzgesetz beurteilen. Exzellent bewertete Daniel Wetzel in seinem Artikel “Die Folgen des “Klima First” in der WELT vom 11.Mai 2021 diese Umstände. Selten fällt eine Kritik derart massiv aus. Davor kann man, muss man den Hut ziehen!

 

 

*) Dr. STEVEN E. KOONIN ist ein führender Wissenschaftler in der Wissenschaftspolitik in den Vereinigten Staaten. Unter Präsident Obama war er Unterstaatssekretär für Wissenschaft im US-Energieministerium, wo er der Hauptautor des Strategischen Plans des Ministeriums und des ersten Quadrennial Technology Review (2011) war. Mit mehr als 200 Peer-Review-Arbeiten in den Bereichen Physik und Astrophysik, wissenschaftliche Berechnung, Energietechnologie und -politik sowie Klimawissenschaft war Dr. Koonin Professor für theoretische Physik an der California Institute of Technology (Caltech) und Vizepräsident von Caltech wie auch Provost für mehr als eine Dekade. Derzeit ist er Universitätsprofessor an der New York University mit Stationen an der Stern School of Business, der Tandon School of Engineering und dem Department of Physics.