Letzter Akt der politischen Gorleben-Groteske: Am 17. September 2021 gab das Bundesumweltschutzministerium die Schließung des Bergwerkes Gorleben bekannt [1]. Damit wurden 1,7 Milliarden Euro zum Fenster hinausgeworfen. Bereits im „Zwischenbericht Teilgebiete Standortauswahlverfahren“ vom 28.09.2020 war Gorleben vom weiteren Auswahlverfahren wegen angeblicher Defizite im Deckgebirge ausgeschlossen worden.
Diese Aussage steht im eindeutigen Widerspruch zur Aussage der rot-grünen Bundesregierung in der Vereinbarung der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000, in der es heißt:
„Die analytisch bestimmten Hebungsraten des Salzstockes lassen erwarten, dass im Hinblick auf mögliche Hebungen auch in sehr langen Zeithorizonten (größenordnungsmäßig 1 Mio. Jahre) nicht mit hierdurch verursachten Gefährdungen zu rechnen ist. Es wurden keine nennenswerten Lösungs-, Gas- und Kondensateinschlüsse im Älteren Steinsalz gefunden. Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierenfunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben zwar nicht entgegen.“
Für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist allein die Bundesregierung verantwortlich. Im Atomgesetz hat sie sich zur Bereitstellung eines Endlagers verpflichtet. Diese Aufgabe fiel zunächst der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und später dem zu diesem Zweck gegründeten Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu. Ihre gesetzliche Verpflichtung hat die Bundesregierung auch 55 Jahre nach Benennung des Standortes Gorleben nicht erfüllt.
Diese staatlichen Einrichtungen konnten sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter bedienen:
Als maßgeblicher Dritter wurde die Deutsche Gesellschaft für Bau und Betrieb von Endlager (DBE) herangezogen. Deren Gesellschafter waren unter anderem die Bundesregierung und über die Gesellschaft für Nuklear-Service GMBH (GNS) auch die Kernkraftwerke betreibenden EVU.
Die Kosten der Endlagerplanung und -errichtung für Gorleben und Konrad wurden auf der Basis der Endlagervorausleistungsverordnung jährlich errechnet und nach einem Kostenschlüssel auf sämtliche Erzeuger radioaktiver Abfälle umgelegt. Die Kosten für Gorleben (1,7 Mrd. EUR), das als Endlager für Wärme entwickelnde (hochradioaktive) Abfälle geplant war, trugen nahezu ausschließlich die EVU.
Forschung und Förderung der Endlagerung, wie auch die Wiederaufarbeitung abgebrannter (ausgedienter) Brennelemente, erfolgten parallel zur deutschen Kernkraftwerksentwicklung. Endlagerforschungen wurden im ehemaligen Salzstock Asse in Salzgitter wie auch an entsprechenden Stätten im Ausland betrieben. Zum Ende des 20. Jahrhunderts lag umfangreiches Endlagerungs-Wissen anwendungsreif vor.
Wegen der erkannten Vorteile des Salzes als Endlagermedium wurde in den siebziger Jahren die Endlagerung in einem Salzstock geplant. Zu diesem Entschluss trug auch maßgeblich die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR) bei, die von Beginn an in die Forschung eingebunden war.
Nach Durchführung eines umfangreichen Standortauswahlverfahren wurde in Abstimmung zwischen Bund und Niedersachsen Mitte der 70er Jahre letztendlich Gorleben als Standort für ein potentielles Endlager unter rund 170 Standorten ausgewählt.
Erkundungsbergwerk Gorleben mit zwei Schächten
Im Jahre 1979 begann die Salzstockerkundung zunächst mit obertägigen Bohrungen. Das Abteufen schloss sich nach Abschluss der obertägigen Erkundung ab 1986 an [2]. In 1997 wurde die untertätige Salzstock-Erkundung abgebrochen.
Die obige Erklärung der Bundesregierung belegte, dass die Endlagererkundung auf der Ziellinie war. Vielleicht zwei bis drei Jahre weitere Erkundung hätten bis zur endgültigen Beurteilung gereicht. Stattdessen veranlasste die rot-grüne Bundesregierung ohne sachlich-fachliche Gründe ab Oktober 2000 für mindestens 3 längstens 10 Jahre eine Unterbrechung der Erkundigung (Moratorium). Näheres wurde bereits im Artikel „Endlagerplanung: Ein Akt politischen Unwillens“ beschrieben.
Standortauswahl und Salzstockerkundung waren in der gesamten Zeit Anlass erheblicher politischer Auseinandersetzungen vornehmlich im Deutschen Bundestag. Die Oppositionsparteien sahen in der Verhinderung eines Endlagers ein Vehikel gegen den Betrieb von Kernkraftwerken. Selbst das BfS wirkte – von der Führung her – mehr bremsend als fördernd auf die Erkundung.
Für mich als unmittelbar Tangierter im Entsorgungsprozess ist unverkennbar, dass – nicht zuletzt durch den erheblichen öffentlichen Widerstand am Standort – keine Partei und kein Politiker sich überzeugend fördernd, nachdrücklich und nachhaltig für die Bereitstellung eines Endlagers eingesetzt hat. Ganz besonders nicht im Nahbereich von Wahlen, und Wahlen gibt es in Deutschland immer irgendwo.
Das Endlagerthema war ein permanenter Störfaktor im politischen Tagesgeschäft. Um ihn los zu werden, beschlossen – mit Ausnahme der Linken – alle Bundestagsfraktionen am 28.06.2013 das auch vom Bundesrat gebilligte Standortauswahlgesetz (Stand AG).
Mit dem damit beschlossenen Neubeginn der Endlagersuche wurde das Vorhaben auf Jahrzehnte in die Zukunft verlagert. Aus juristischen Kreisen war zu hören, dass mit diesem Gesetz auf absehbare Zeit kein Endlager zu erreichen sei. Die bisherigen Erfahrungen mit der Endlagerplanung lassen bereits einen Betriebsbeginn in diesem Jahrhundert als sehr ehrgeizig erscheinen.
Dies umso mehr, wenn der niedersächsische Minister Olaf Lies den „Kampf (gegen Gorleben), der hier richtigerweise geführt wurde“ [1], lobt. Eine klare Aufforderung, auch bei künftiger Standortauswahl tüchtig Widerstand aufzubringen, um auch dieses Projekt scheitern zu lassen.
Als dümmlich muss die Begründung für die Neusuche eines Standortes angesehen werden, den „bestmöglichen“ Endlagerstandort zu suchen. Den „bestmöglichen“ Endlagerstandort kann es logischerweise nicht geben, sondern nur einer, der den Sicherheitsanforderungen genügt. Und das wäre auch am Standort Gorleben nach bisherigem Stand erreichbar gewesen.
Der Kommentar von Jasper von Altenbockum in der FAZ [3] unter dem Titel „Die Lebenslügen der Grünen“ ist zutreffend, wenn er die Schließung des Bergwerkes Gorleben durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) (Anm.: hervorgegangen aus der DBE) in erster Linie als politische Gefälligkeitshandlung deutet und beim Gedanken an zu heilende Wunden anders als die politischen Akteure auch an die Ingenieure, Geologen, Arbeiter und Angestellten denkt, die angefeindet wurden. Der Kommentar spannt auch den Bogen vom großen Sieg der Grünen über die Kernkraft zur schalen Wirklichkeit der Energiewende, deren Fehlerhaftigkeit mit der Abschaffung der Kernenergie als wichtigstem wirksamen klimapolitischen Instrument immer offenkundiger wird.
Fazit
Die Entscheider haben das Endlagerprojekt Gorleben von einem international beachteten erfolgreichen und zeitgerechten Projekt zu einem Scherbenhaufen verwandelt. Sie werden nicht dafür zur Rechenschaft gezogen, und ggf. steht nicht einmal der Amtseid entgegen. Die Pressemitteilung [1] im Sinne eines großen Erfolgs zu formulieren, ist schon ein unfassbares Possenspiel. Vielmehr sollten sich die Verantwortlichen an ihre eigenen Forderungen erinnern, dass die radioaktiven Abfälle jene Generation endgültig zu entsorgen hat, die auch den Nutzen der Kernenergie hat. Es sei unverantwortlich, dieses Problem nachfolgenden Generationen aufzubürden. Genau das Gegenteil tritt nun ein.
Es bleibt die Hoffnung, dass künftige politische Generationen rationaler mit der Entsorgung radioaktiver Abfälle umgehen als die Gegenwärtige.
[1] https://www.bmu.de/pressemitteilung/bergwerk-gorleben-wird-geschlossen