Die Europäische Kommission legte am 02.02.2022 die endgültige Fassung des ergänzenden delegierten Rechtsakts (CDA) der EU-Taxonomieverordnung für bestimmte Gas- und Nukleartätigkeiten vor. Die endgültige Version enthält nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Ende Dezember durchgesickerten Entwurf, wobei die Kernenergie eine Übergangsenergietechnologie bleibt.
Die Kommission hatte am 31. Dezember Konsultationen mit der Sachverständigengruppe der Mitgliedstaaten für ein nachhaltiges Finanzwesen und der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen über einen Textentwurf der CDA aufgenommen. Sie sagte, sie habe auch die Rückmeldungen des Europäischen Parlaments zu diesem Thema gehört.
Die Europäische Kommission gab bekannt, dass das Kollegium der Kommissionsmitglieder eine politische Einigung über den Text erzielt habe.
Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, erklärte am Mittwoch bei der Vorstellung der CDA: “Die EU ist entschlossen, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, und wir müssen alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um dorthin zu gelangen. Die Erhöhung der privaten Investitionen in den Übergang ist der Schlüssel zur Erreichung unserer Klimaziele.
“Heute legen wir strenge Bedingungen fest, um die Mobilisierung von Finanzmitteln zur Unterstützung dieses Übergangs weg von schädlicheren Energiequellen wie Kohle zu unterstützen. Und wir erhöhen die Markttransparenz, so dass Investoren in der Lage sein werden, Gas- und Nuklearaktivitäten bei allen Investitionsentscheidungen leicht zu identifizieren.”
Die Kommission erklärte, dass sie nach Berücksichtigung der wissenschaftlichen Gutachten und des aktuellen technologischen Fortschritts der Ansicht ist, dass private Investitionen in Gas- und Nuklearaktivitäten im Übergang eine Rolle spielen.
“Die ausgewählten Gas- und Nuklearaktivitäten stehen im Einklang mit den Klima- und Umweltzielen der EU und werden es uns ermöglichen, den Übergang von umweltschädlicheren Aktivitäten wie der Kohleerzeugung zu einer klimaneutralen Zukunft, die hauptsächlich auf erneuerbaren Energiequellen basiert, zu beschleunigen”, hieß es.
Nach der Übersetzung in alle EU-Amtssprachen wird die CDA den beiden gesetzgebenden Organen förmlich zur Prüfung übermittelt. Was die anderen delegierten Rechtsakte im Rahmen der Taxonomieverordnung betrifft, so haben das Europäische Parlament und der Rat (die der Kommission die Befugnis übertragen haben, delegierte Rechtsakte im Rahmen der Taxonomieverordnung zu erlassen) vier Monate Zeit, um das Dokument zu prüfen und, falls sie es für erforderlich halten, Einwände dagegen zu erheben. Beide Organe können eine zusätzliche Prüfungszeit von zwei Monaten beantragen.
Sobald der Prüfungszeitraum abgelaufen ist und keiner der beiden gesetzgebenden Organe Einwände erhebt, tritt der CDA ab dem 1. Januar 2023 in Kraft.
Das Abstimmungsverhältnis in der EU für diese Regelung ist 20 : 7. Sieben EU-Staaten, unter anderem Deutschland, stimmen gegen die Einstufung der Kernenergie als nachhaltige und somit förderungswürdige Technik. Diese Staaten haben keine Aussicht, das Regelungsvorhaben zu Fall zu bringen.
Fakt ist nunmehr, dass auch mit deutschen, an die EU gezahlten Steuergeldern kerntechnische Vorhaben gefördert werden können. Deutschland befindet sich in der Zwickmühle: Kernenergie lehnt es ab, braucht aber zwingend Gas für die sichere Stromversorgung nach dem Kohleausstieg. Aus EU-Sicht: Entweder beides oder weder das Eine noch das Andere.
Die markigen Worte und Reden deutscher Regierungsmitglieder gegen die Regelung werden nichts bewirken. Sie dienen dazu, das Gesicht nicht zu verlieren. Andererseits sitzen sie im Glashaus, wenn sie auf Stromimporte angewiesen sind, wohl wissend, dass es sich dabei auch um Strom aus Kernkraftwerken handelt. In der Psychologie nennt man dieses Verhalten dissoziative Identitätsstörung.
Man kann das bereits als Spott über Deutschland empfinden, wenn der EU-Binnenkommissar Thierry Breton sagt:
“Dass die EU ohne Atomstrom CO2-neutral werden kann, ist eine Lüge.”