Situation am Ukraine-Kernkraftwerk Saporischschja

Über die Situation berichtete die Kerntechnische Gesellschaft in ihrem Fachinfo 06/2024 vom 09.04.2024:

Das Kernkraftwerk Saporischschja im russisch besetzten Gebiet der Ukraine ist durch einen Drohnenangriff am Abend des 7. April 2024 wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Geschehens im Krieg in der Ukraine gerückt. Die Anlage wurde mit drei kleineren Flugdrohnen angegriffen, von denen eine den Bereich eines Analyselabors und ein Fahrzeug beschädigte, wobei eine oder drei Personen zu Schaden kamen, je nach Angabe, eine den Bereich der Kantine und eine dritte auf dem oder knapp über dem Dach von Reaktorgebäude 6 explodiert ist. Es ist das erste Mal seit November 2022, dass Anlagengebäude des Kernkraftwerks direkt angegriffen wurden.

Die IAEA stufte den Vorfall als einen schwerwiegenden Verstoß gegen die nuklearen Sicherheitsprinzipien ein, der unter Umständen die Sicherheitsbarrieren des Kernkraftwerks hätte beeinträchtigen können, auch wenn aktuell keine nuklearen oder radiologischen Sicherheitssysteme und -funktionen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Kriegsparteien beschuldigten einander gegenseitig, für die Angriffe verantwortlich zu sein. Der IAEA-Generalsekretär forderte die Kriegsparteien zum wiederholten Male auf, von allen Handlungen abzusehen, die die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen kompromittieren könnten.

Die meisten Reaktorblöcke sind bereits seit Herbst 2022 abgeschaltet (cold shut-down). Block 5 verblieb bis Juli 2023 im hot shut-down und wurde danach in den cold shut-down überführt. Im Gegenzug wurde der Block 4 vom cold shut-down in den hot shut-down überführt, um Dampf für die Konditionierung flüssiger radioaktiver Abfälle und für die Fernwärmeversorgung der ebenfalls russisch besetzten Stadt Enerhodar zur Verfügung zu stellen. Nach Entdeckung eines Lecks in einem Dampferzeuger von Block 4 wurde diese Rolle zeitweilig auf Block 6 übertragen und im Oktober 2023 wieder rückübertragen. Block 3 ist wegen Reparaturen abgeschaltet. Im Winter wurde vorübergehend auch Block 5 wieder in den hot shut-down überführt. Zwischenzeitlich wurden zusätzliche Ölboiler zur Dampferzeugung im Kernkraftwerk sowie in der Stadt Enerhodar installiert, so dass evtl. alle Blöcke in den cold shut-down versetzt werden können.