Bakterien zersetzen Kunststoffmüll

Seit Jahren gibt es Warnhinweise und Kampagnen gegen Kunststoffmüll in den Ozeanen. Er wird in beträchtlicher Menge über Flüsse, Wind und durch Verklappung von Schiffen in die Meere gespült. Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) „treiben inzwischen auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche bis zu 18.000 Plastikteile unterschiedlichster Größe. Doch was wir sehen ist nur die Spitze des Eisbergs, mehr als 90 Prozent der Abfälle sinken auf den Meeresboden und bleiben unserem Auge verborgen. Plastik ist im Meer nahezu unvergänglich, nur langsam zersetzt es sich durch Salzwasser und Sonne und gibt nach und nach kleinere Bruchstücke an die Umgebung ab.“

Das aber ist nur die halbe Wahrheit. Plastikfressende Bakterien könnten künftig helfen, das globale Müllproblem einzudämmen. Forschende des Forschungszentrums Jülich [1] und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf [2] haben nun erstmals gezeigt, wie Bakterien der Gattung Halopseudomonas häufig vorkommende Kunststoffbeschichtungen aus dem schwer abbaubaren Polyesterurethan zersetzen. Die beschriebenen Stoffwechselwege und Enzyme unterstreichen die Relevanz des neu isolierten Bakteriums für den biologischen Abbau von Kunststoffen und ebnen Wege in die Praxis.

Bakterien, wie die aus Kompost isolierten Halopseudomonas formosensis, zeigen eine vielversprechende Fähigkeit zur Zersetzung dieser Materialien, insbesondere unter hohen Temperaturen. Die Halopseudomonas-Bakterien leben unter anderem in der Tiefsee an Standorten, die mit Erdöl oder Schwermetallen verschmutzt sind. Bakterien der Gattung Pseudomonas gelten als die „Hauptarbeitspferde bei der Kunststoffzersetzung.

„Das profunde Wissen über Mikroorganismen und Enzyme trägt zum Verständnis der Interaktion von Mikroben mit synthetischen Polymeren bei. Daher weist diese Studie den Weg für künftige Bio-Recycling-Strategien, die auf das Recycling ganzer Kunststoffe einschließlich ihrer Beschichtungen abzielen,“ erklärt die Forschungsgruppe in ihrer Publikation.

Die Entschlüsselung der Stoffwechselwege hat es Wissenschaftlern an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  ermöglicht, Methoden zu entwickeln, um diese Bakterien biotechnologisch zu nutzen. Sie können nicht nur Polyesterurethan abbauen, sondern auch Dicarbonsäuren, die in vielen Kunststoffen vorkommen, verwerten. Die Zusammenarbeit zwischen den Forschungsteams und Industriepartnern könnte Wege für potentielle Anwendungen in der Biotechnologie und Bioremediation eröffnen.

Die Bakterien benutzen spezifische Enzyme, die sie zunächst produzieren. Die können bestimmte chemische Bindungen in den Kunststoffmolekülen spalten und damit das Material zersetzen. Die abgebauten Bestandteile des Kunststoffes werden von den Bakterien weiter zerlegt und für eigene Stoffwechselprozesse zur Energiegewinnung oder zum Aufbau neuer Zellstrukturen für die Bakterien selbst genutzt.

Diese bakterielle Kunststoffzersetzung könnte auch ein Grund dafür sein, dass weniger Müll aus den Ozeanen „gefischt“ wurde als dort offensichtlich hineingelangt war.

Quellen:

[1] https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/pressemitteilungen/2023/einblick-in-den-stoffwechsel-plastikfressender-bakterien

[2] https://enviromicro-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/1751-7915.14369