Ein überzeugender Schutz der Stromkabel von Offshore-Windparks ist nicht möglich

Die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines hat gezeigt, wie verwundbar kritische Infrastruktur im Meer ist. Mit dem fortschreitenden Ausbau der Offshore-Windenergie stellt sich auch bei Stromleitungen zunehmend die Frage nach der Sicherheit. Die Bedrohungsszenarien reichen von Sabotage bis zu terroristischen und militärischen Attacken. Neben physischen Manipulationen drohen Cyberangriffe.

Die Offshore-Windenergie soll nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums „im Energiemix der Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Energiewende in Deutschland liefern.“ Ende August 2024 waren in Deutschland 1.621 Offshore-Windenergieanlagen (OWEA) mit einer Gesamtleistung von über 9 GW in Betrieb. Durch die Ausbauziele der Bundesregierung (30 GW bis 2030, 70 GW bis 2045) wird sie zum Rückgrat der deutschen Stromversorgung.

Aktuell kommt Windstrom über zwölf Anbindungen ans deutsche Festland. Bei den Gleichstromsystemen, die küstenferne Windparks anbinden, werden zwei parallele Kabelstränge etwa eineinhalb Meter tief in den Meeresboden gepflügt. Die Seekabel sind rund 13 Zentimeter dick, der Kupferkern ist von Kunststoff umschlossen. Eine Armierung aus Stahldraht soll vor Schäden schützen. Zum Vergleich: Bei Nord Stream wurde eine mit Beton ummantelte Pipeline aus zentimeterdickem Stahl zerstört.

Deutsche Offshore Windparks in der Nordsee in Betrieb, im Bau, genehmigt und beantragt.

Eine Bedrohung der Seekabel ist nicht zu verleugnen. Nach der Meldung der Tagesschau [1]„spioniert Russland Windparks, Datenkabel und Pipelines in der Ostsee systematisch aus. Ein internationales Rechercheprojekt kann erstmals die Fahrten mutmaßlicher russischer Spionageschiffe nachzeichnen.“

Es ist offenbar ein Zufall, der die Bundespolizei im Oktober 2023 auf die richtige Spur führt. Auf dem Radar eines deutschen Einsatzschiffes tauchen die Umrisse eines Schiffes auf, das sich mitten im Windpark “Arcadis Ost 1”, wenige Seemeilen vor Rügen befindet. Die Transponder, die eigentlich die Position des Schiffes angeben sollen, seien abgestellt gewesen, heißt es aus Sicherheitskreisen.

„Das ist offenbar Kalkül, schreibt Tagesschau [1]: Denn das russische Forschungsschiff “Gorigledzhan”, auf das die Bundespolizei an diesem Tag stößt, gehört zum streng geheimen Tiefsee-Forschungsprogramm der russischen Streitkräfte (GUGI). An Bord des Schiffes befinden sich neben der regulären Besatzung auch bewaffnete Soldaten – und sensible technische Geräte, mit denen sich der Meeresboden auskundschaften lässt. Die Bundespolizei nimmt Kurs auf das Schiff und fordert den Kapitän dazu auf, den Windpark sofort zu verlassen. Dieser Anweisung sei die “Gorigledzhan” dann auch gefolgt, heißt es aus Sicherheitskreisen.“

Wie ist die Sicherheitslage deutscher Offshore-Windparks und welche Schutzmaßnahmen müssen jetzt getroffen werden, um kritische Infrastruktur vor russischer Spionage und Sabotage zu schützen?

Nach Auffassung des Bundesverbandes Windenergie Offshore (BWO) [2] besteht wegen des Spionageaktes für alle Beteiligten ein besonderer Schutzauftrag. Die Betreiberunternehmen erfüllen diesen durch diverse technische und organisatorische Maßnahmen. Ein zufriedenstellender Schutz vor Spionage und Sabotage kann allerdings nicht ausschließlich durch die Betreiber geleistet werden. Nach dem Grundgesetz (Art. 89, Abs. 2, Satz 2, GG) steht hier vor allem der Staat in der Pflicht.

Die Anlagen auf See werden über Leitstände an Land gesteuert. Welche Schutzkonzepte es gibt, teilen auf Anfrage aus verständlichem Grund weder Netzbetreiber noch Sicherheitsbehörden mit. Die Geheimhaltung der Sicherungsmaßnahmen ist oberstes Gebot.

Die Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik über geeignete Schutzmaßnahmen bei maritimen kritischen Infrastrukturen [3] sieht den maritimen Raum aufgrund seiner Geographie besonders für verdecktes Agieren geeignet. „Der Schutz kritischer Infrastrukturen wird zusätzlich dadurch erschwert, dass diese oftmals eine hohe Flächen­ausprägung bzw. Ausdehnung aufweisen, wie etwa im Fall von Windparks, Pipelines oder Untersee­kabeln. Schließlich werden diese Infrastrukturen über­wiegend privatwirtschaftlich betrieben und sind aufgrund ihrer räumlichen Dimensionen nur schwer lückenlos zu überwachen, ob nun durch die privaten Betreiber selbst oder durch staatliche Sicherheits­organe.“

Auch die Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines war obwohl ein ruinöser Terroranschlag verdecktes Agieren. Eine vergleichbare Zerstörung eines Stromkabels hoher Leistung während einer Starkwindphase hätte übelste Auswirkungen für die Stabilität des Stromnetzes. Im besonderem Maße dann, wenn die Stromversorgung immer weiter auf Ökostrom ausgerichtet wird.

[1] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/russland-ostsee-spionage-100.html

[2] https://bwo-offshorewind.de/sicherung-deutscher-offshore-windparks/

[3] https://www.swp-berlin.org/10.18449/2024S03/