Füllort in etwa 1000 Meter Tiefe, Quelle: BGE
Das Schicksal des im Bau befindlichen Endlagers „Konrad“ steht auf der Kippe.
In unserem Artikel „Weitere Hiobsbotschaft für das Endlagerprojekt Konrad“ wiesen wir auf die Bedenken und Empfehlungen der Entsorgungskommission von 2024 und 2014 hin. Diese Kommission berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in den Angelegenheiten der nuklearen Entsorgung und Endlagerung.
Das ARD [1] veröffentlichte gestern am 16.4.2025 das auf der Rechts- und Verwaltungsebene bestehende Desaster. Die Kerntechnische Gesellschaft [2] fast das Problem wie folgt zusammen:
Es steht laut Recherche nicht nur eine weitere mehrjährige Verzögerung des Projekts (Konrad) in Rede, sondern sogar dessen vollständiges Scheitern. Das ehemalige Eisenerzbergwerk befindet sich derzeit im Umbau zu einem Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle aller Ablieferungspflichtigen, also etwa der BGZ aus dem Betrieb und Rückbau von Kernkraftwerken, der EWN-Gruppe oder der Landessammelstellen, jedoch auch privatwirtschaftlicher industrieller Unternehmen. Nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) soll nach aktuellem Stand die Einlagerung von Abfällen ab Anfang der dreißiger Jahre beginnen.
Die beiden Probleme, die einer zweckgemäßen Nutzung des Endlagers entgegenstehen, gehen auf das niedersächsische Wasserrecht zurück. Zum einen besteht die Besonderheit, dass der Planfeststellungsbeschluss von 2002 zwar alle sonstigen Genehmigungserfordernisse bündelt und umfasst, nicht aber die so genannte Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis gemäß niedersächsischem Wasserrecht. Darin würden Obergrenzen für einzelne Stoffe festgelegt, die in den einzulagernden Abfällen insgesamt enthalten sein dürfen, ohne Gefahr für das oberflächennahe Grundwasser. So berichten BR und NDR etwa, dass in den 303.000 Kubikmetern genehmigtem Einlagerungsvolumen – bereits an sich nicht hinreichend für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle in Deutschland – für das Endlager Konrad insgesamt maximal 43 Kilogramm Quecksilber oder elf Gramm Platin enthalten sein dürfen.
Bei exakter Einhaltung dieser Grenzwerte könne nur ein Bruchteil der genehmigten Menge schwach- und mittelradioaktiver Abfälle eingelagert werden. Daher sei 2010 eine neue Berechnungsgrundlage geschaffen worden, um eine größere Menge Abfälle im Rahmen der wasserrechtlichen Erlaubnis einlagern zu können.
Hinsichtlich der Umsetzung und Umsetzbarkeit dieser Lösung wurden allerdings zwei Probleme identifiziert. Zum einen macht Professor Bruno Thomauske, der einst im Bundesamt für Strahlenschutz am Planfeststellungsverfahren mitgewirkt hat, in einer Analyse geltend, dass die neue Berechnungsgrundlage eine wesentliche Veränderung der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis sei. Er wird im Bericht von BR und NDR damit zitiert, dass dafür „in der Regel Genehmigungsverfahren, in denen man begründet, weswegen höhere Mengen eingelagert werden“, benötigt werden. „Ein solches Genehmigungsverfahren wurde nicht angestrengt.“ Thomauske kommt daher zu dem Schluss: „Konrad kann nicht in Betrieb gehen.“ Zwar habe die verantwortliche Bundesgesellschaft für Endlagerung für das Vorgehen bei einer wasserrechtlichen Aufsichtsbehörde eine Zustimmung erwirkt, sich jedoch nicht beim niedersächsischen Umweltministerium die notwendige Genehmigung eingeholt.
Zum anderen machte die Entsorgungskommission darauf aufmerksam, dass die Berechnungsgrundlage von den jeweils aktuell gültigen wasserrechtlichen Gesetzen und Verordnungen abhängig sei. Das bedeute, dass bei jeder auch geringfügigen Gesetzesänderung die Einhaltung der Bestimmungen der wasserrechtlichen Erlaubnis neu berechnet werden müsse, und zwar für jedes Abfallgebinde. Aktuell entspreche aber kein Gebinde den aktuellen Auflagen. Das Fazit laute auch hier, dass Konrad nicht in Betrieb gehen werde. Entweder wegen des Genehmigungsproblems im Zusammenhang mit der Gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis oder weil immer wieder neue wasserrechtliche Verordnungen und Gesetze erlassen würden, die auch die Konrad-Gebinde beträfen, so dass eine Freigabe zur Einlagerung in Konrad nicht erfolgen könne.
Von der ARD im Interview zu der Thematik befragt, schloss die Geschäftsführerin der zuständigen BGE, Iris Graffunder, ein Scheitern des Endlager Konrad zwar aus, erklärte aber laut Bericht: „Es könnte sein, dass wir eine neue ‚Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis‘ brauchen. Oder im Änderungsverfahren die jetzige verändern können.“ Zur Auswirkung einer neuen Erlaubnis oder eines Änderungsverfahrens auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Endlagers äußerte Graffunder: „Umso nötiger ist es, dass wir jetzt anfangen. Noch weiter schieben macht aus meiner Sicht keinen Sinn.“ Der aktuelle Stand sei laut Graffunder, dass es im Moment kein einziges Gebinde gebe, das stofflich den Stempel habe, um eingelagert werden zu dürfen.
Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Christian Kühn, erklärte: „Da müssen die Bundesgesellschaft für Endlagerung und das Land Niedersachsen noch die Köpfe zusammenstecken.“ Dies veranlasste die Redaktion des Berichtes zu der Nachbemerkung, dass jetzt die Köpfe zusammengesteckt werden sollten, um ein Problem zu lösen, das schon seit mehr als 20 Jahren bekannt sei. Kühn äußerte gemäß Bericht BR/NDR weiter: „Man hat in der Vergangenheit sicher nicht alles richtig gemacht. Sonst wären die ein oder anderen Fragen heute schon gelöst.“
Für das Projekt Konrad seien seit beinahe 50 Jahren etwa vier Milliarden Euro aufgewendet worden. Durch den Fortgang des Rückbaus der Kernkraftwerke würden die Zwischenlagerkapazitäten in den Abfalllagern der Standorte bald ausgeschöpft sein und müssten möglicherwiese vergrößert werden. Daher kündigte Graffunder laut dem Bericht an, ggf. nach Gebinden zu suchen, die ohne Bedenken und Auswirkungen auf das Grundwasser befürchten zu müssen, eingelagert werden könnten, sollte das Endlager baulich rechtzeitig fertig werden.
Die Entsorgungskommission empfiehlt in ihrer Stellungnahme vom 25. Oktober 2024 – veröffentlicht 12.11.2024 – (siehe KTG-Fachinfo Nr. 16/2024) zum zweiten Problemkomplex, dass man die Auswirkung der häufigen, ganz anders begründeten Änderungen des Wasserrechts auf die Erfüllung der Endlagerbedingungen auf schutzzielrelevante Tatbestände begrenzt und so weitgehend abschirmt, Bestandsschutz für freigegebene Gebinde einführt und die gegebenen Überkonservativitäten im Verfahren angemessen berücksichtigt.
Kommentar
In Konrad sollen schwach- und mittelradioaktive Abfälle endgelagert werden, Abfälle, die zum Teil schon Jahrzehnte in Zwischenlagern in konditionierter Form sicher aufbewahrt werden und deren Aktivität bereits stark abgenommen hat. Auch wenn deren Endlagerung in der vorgesehenen Tiefe die zwar sicherste aber auch teuerste Form der Endlagerung darstellt, wäre eine sichere oberirdische Endlagerung, wie uns Frankreich vormacht, durchaus möglich.
Quellen:
[1] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/schnell_informiert/video-1456684.html
[2] KTG-Fachinfo 05/2025 vom 17.04.2025: Endlager Konrad aktuell im öffentlich-rechtlichen Rundfunk