Klimadebatte mit Scheuklappen – Bonns Klimaneutralität bringt gar nichts

Der Bonner General-Anzeiger veröffentlichte am 28. August 2021 unter dem Titel “Globale Probleme benötigen globale Lösungen” den nachstehenden Leserbrief von Ministerialdirektor a.D. Werner Ressing. Ressing ist ehemaliger Abteilungsleiter Industriepolitik des BMWi, der er 15 Jahre angehörte. Zuvor war er 23 Jahre in der Abteilung Energiepolitik. Der Leserbrief erscheint hier mit seiner freundlichen Genehmigung.

“Die verheerende Flut und der neue IPCC-Report hat die Klimadebatte zusätzlich beflügelt. Deutschland betreibt seit über 30 Jahren eine ehrgeizige Klimapolitik und die nationalen Ziele wurden regelmäßig verschärft; sie waren anspruchsvoller, als die anderer EU-Mitgliedstaaten (MS) oder in der Welt. Damit sollte auch eine Vorreiterrolle ausgelöst werden, die jedoch ebenso fehl schlug wie die bisherigen Reduktionsziele, die – angefangen von 25% für 2005 – bis heute alle krachend verfehlt wurden.

In den internationalen Klimakonferenzen (Conference of parties; COP) wurde bis Paris 2015 immer wieder versucht, global verbindliche Ziele zu vereinbaren, was regelmäßig scheiterte. Deshalb gab es in Paris die Kehrtwendung mit dem 1.5°-2° Ziel, und freiwilligen Selbstverpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten und das ist gleichzeitig die Schwachstelle: Wie sieht jetzt die Realität zum Pariser Abkommen und damit die globale Entwicklung aus?

  • Das Abkommen ist nach 6 Jahren noch nicht einmal zu 50 % von den Mitgliedstaaten (MS) erfüllt.
  • Die Verpflichtungen sind bei Nichterfüllung nicht sanktionsbewährt, deshalb wird das Abkommen auch als “weiße” – wirkungslose – Salbe” bezeichnet.
  • China ist zum Beispiel einer der MS, der bisher für Paris keine Erklärung abgegeben hat und nur unverbindlich erklärt, bis 2030 den Peak bei den Emissionen und bis 2060 die Klimaneutralität erreichen wollen. Natürlich werden auch dort die Erneuerbaren ausgebaut, aber eben auch neue Kohlekraftwerke so wie bei anderen Ländern ebenso. China verfolgt klar die Strategie “Made in China 2025”, um weiter bis zum 100 jährigen Bestehen der Volksrepublik 2049 die führende Nation der Welt zu sein und nicht Klimaweltmeister. Diesem Ziel werden alle anderen Ziele untergeordnet. Fridays for Future sollte zuallererst in China demonstrieren.

Es ist deshalb eine Debatte mit Scheuklappen und unehrlich, dem deutschen Michel zu suggerieren, wir würden mit unserer Klimaneutralität (2% Anteil) das 1,5°-2° Ziel erreichen. Bisher kennen die CO2-Emissionen global mit einigen Dellen nur einen Trend: Sie steigen und werden weiter steigen, ob Bonn oder Deutschland klimaneutral wird oder nicht! Weiter steigen werden auch die Weltbevölkerung und damit Konsum und Energieverbrauch und der wird auch nicht nach IPCC nur durch Erneuerbare gedeckt werden können, sondern mit Kernenergie und CO2-Rückhaltung (CCS), das verschweigen alle Klimaschützer.

Deshalb wird auch die völlige Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare in Deutschland scheitern; wir haben zunehmende Regeleingriffe bei der Netzstabilität und leben jetzt noch von der Substanz – Kohle und Kernenergie als Grundlast-, denn das Jahr hat 8760 Stunden, an dem Strom aus der Steckdose kommen soll. Da die Sonne nachts bekanntlich nicht scheint und auch der Wind nicht immer so weht, wie er soll, benötigen wir langfristig mindestens 20-40 TWh Speicherkapazität, die nicht in Sicht sind. Mit der bisherigen Speicherkapazität kann Deutschland nicht einmal eine Stunde mit Strom versorgt werden. Wasserstoff wird das Problem auch nicht lösen können, denn die Mengen sind so immens, das selbst die doppele Strommenge nicht ausreicht um die Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen.

Der Klimawandel ist Fakt aber es geht darum, über den nationalen oder EU-Tellerrand zu schauen und den Blick nicht vor der Realität zu verschließen. Eigentlich müsste jedem interessierten Bürger klar sein, globale Probleme erfordern auch globale Lösungen und die sind mit dem Pariser Abkommen eben nicht in Sicht.”